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Hunkelers erster Fall - Silberkiesel

Hunkelers erster Fall - Silberkiesel

Titel: Hunkelers erster Fall - Silberkiesel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansjörg Schneider
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hörten am Bildrand auf.
    Kayat ging in die Küche und öffnete den Kühlschrank. Alles war da. Käse, Butter, Milch, Trockenfleisch. Er aß und trank, er rauchte genussvoll zwei Zigaretten. In dieser Wohnung gefiel es ihm, hier war er in Sicherheit. Der Nachmittag lag vor ihm, frei und offen bis zum Abend. Erst dann, gegen 19 Uhr, wenn kaum mehr jemand auf den Straßen sein würde wegen des vielen Wassers, würde seine Arbeit beginnen. Sie würde ihn voll in Anspruch nehmen, möglicherweise die ganze Nacht und darüber hinaus.
    Kurz nach 15 Uhr ging die Haustür, herein kam Fräulein Fornerod in ihrer Leopardenimitation. Wie es ihm gehe, wie er geschlafen habe, wollte sie wissen.
    Gut, herrlich geschlafen, wunderbar gegessen und getrunken, die Wohnung sei sehr angenehm.
    Und die Lastwagen?
    Die habe er nicht gehört, die sei er gewohnt.
    Sie verschwand in ihrem Zimmer und kam in einem langen, handgestrickten, hellblauen Kragenpullover wieder zum Vorschein. Sie legte einen Plastiksack mit einem schweren Gegenstand darin auf den Küchentisch. Der sei vom Chef, er solle ihn an sich nehmen.
    Kayat wickelte eine schwarze Browning aus dem Sack. Er wog ihn kurz in der rechten Hand und legte ihn wieder hin.
    »Nein«, sagte er, »ich und Pistolen, das geht nicht.«
    Sie schaute ihn aus merkwürdig flachen Augen an, hilfesuchend, fast erschreckt.
    »Bringen Sie diese Waffe bitte Ihrem Chef zurück, und sagen Sie ihm, er solle sich für solche Arbeit andere Leute suchen.«
    Er nahm langsam ihre Hand, die neben der Browning lag, öffnete sie und legte ihre Innenseite an seine Lippen. Sie duftete gut. Er erhob sich, trat zu ihr, griff ihr ins kurze blonde Haar und beugte ihren Kopf nach hinten. Als er sie küssen wollte, sagte sie: »Bitte nein. Bitte keinen Sex.«
    Er schaute ihr genau in die grauen Augen, und er sah, wie langsam Tränen herausrannen. Er neigte sich trotzdem zu ihr hinunter und küsste ihr Haar. Dann setzte er sich wieder hin.
    »Entschuldigung«, sagte er, »Sie sind traurig, ich habe es nicht gleich bemerkt.«
    Sie beugte sich über den Tisch, schluchzte ein paarmal krampfhaft und lautlos, richtete sich wieder auf und wischte mit dem Ärmel des hellblauen Pullovers die Tränen weg.
    »Ich weiß, ich bin blöd«, sagte sie, »aber ich kann nicht.«
    »Kein Problem«, sagte er, »Liebe kann nicht erzwungen werden.«
    »Die Leute meinen immer, ich sei eine Sexbombe«, sagte sie, »das stimmt überhaupt nicht. Der Sexylook gehört einfach zu meinem Beruf. Ich bin so etwas wie eine Empfangs- und Begleitdame bei einer Handelsfirma.«
    »Und was macht Ihr Freund?«
    »Er will Schriftsteller werden. Er hat mich verlassen.«
    Ihre Augen wurden nass, und wieder hingen Tränen an ihren Wimpern. »Er kann nicht schreiben, wenn er mit mir zusammen ist, hat er gesagt. Weil ich frigid bin.«
    Die Tränen tropften auf den Tisch.
    »Ihr Freund ist dumm«, sagte Kayat, »kein Mensch ist frigid. Ein Pfeifenraucher und Bergsteiger ist doch nichts für eine Frau wie Sie. Ein Schriftsteller schon gar nicht. Der denkt nur an sich selbst. Suchen Sie sich einen andern.«
    »Er verachtet mich, weil ich bei diesem Herrn, bei dieser Firma arbeite. Aber irgendwo muss ich ja Geld verdienen. Ich bezahle die Wohnung und die laufenden Kosten, damit er Zeit hat zum Schreiben. Aber das ist eben nicht gegangen. Er konnte nicht schreiben, solange er bei mir war.«
    »Jetzt fangen Sie nicht wieder an zu weinen, ich bitte Sie höflich darum. Es ist sehr schmerzlich, aus solchen Augen Tränen fallen zu sehen.«
    »Was ich brauche, ist Ruhe.« Sie schluckte zweimal leer. »Ich glaube, ich bin einfach verletzt, in meiner Eitelkeit, meine ich. Er hat gesagt, ich sei eine eingebildete Zwetschge.«
    »Welch herrliche Frucht.«
    »Hören Sie endlich auf mit diesen Anzüglichkeiten. Ich glaube, ich bin einfach nicht geschaffen zur Liebe. Das macht doch nichts, oder?«
    Er zuckte mit den Achseln, schaute sie an.
    Sie legte ihm die Fingerspitzen der linken Hand auf den Handrücken, strich dreimal darüber. »Ich bin eine wounded woman, verstehen Sie? Ich brauche ein bisschen Zeit. Vielleicht geht’s dann wieder.«
    Er zog seine Hand zurück, fuhr sich übers Haar.
    »Wie wär’s mit einem Schach?«, fragte er.
    »Herrlich. Mein Freund hat nie mit mir gespielt. Er hat gesagt, Schach sei die kapitalistische Pest per definitionem. Felder besetzen, Couloirs schließen, Bauern schlagen, Damen attackieren. Das wollte er nicht haben.«
    »Wie oft haben Sie mit

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