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Hunkelers erster Fall - Silberkiesel

Hunkelers erster Fall - Silberkiesel

Titel: Hunkelers erster Fall - Silberkiesel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansjörg Schneider
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ihm gespielt?«
    »Nur drei Mal. Dann war es aus.«
    »Und wer hat gewonnen?«
    »Immer ich.« Sie lachte herzlich. »Sie meinen, das hat er nicht ertragen?«
    Er zuckte wieder mit den Achseln, und sie holte nebenan Brett und Figuren.
    Kayat begann mit dem weißen Damenbauern. Dann zog er auf c4. Sie nahm das Damengambit nicht an, sondern brachte den Springer auf f6.
    Sie spielten mehr als zwei Stunden, langsam, bedächtig, immer genau, bis beide nur noch den König und zwei Bauern hatten, die sich gegenseitig blockierten.
    »Ein bisschen verstehe ich Ihren Freund schon«, sagte Kayat, »dass er nichts mehr wissen wollte von Schach. Sie spielen wie der Teufel.«
    Ihr Gesicht hatte sich gerötet. »Wenn ich den Läufer nicht von d5 zurückgezogen hätte, hätte ich gewonnen.«
    »So. Und warum haben Sie ihn zurückgezogen?«
    »Wegen des Turms auf a7.«
    »Sehen Sie, Sie hatten Angst um Ihren Turm. Mit Recht übrigens, wenn ich mich richtig erinnere.«
    Sie nickte. »Aber ich hätte es trotzdem versuchen sollen. Spielen wir noch einmal?«
    Er schaute auf die Uhr. Es war kurz nach sechs.
    »Es tut mir sehr leid«, sagte er, »es war mir ein Vergnügen. Aber jetzt muss ich meinen Job machen.«
    »Vielleicht morgen Nachmittag um die gleiche Zeit?«
    »Ich fürchte, das geht nicht. Ich weiß nicht, wie lange mein Job dauert. Aber wenn er beendet ist, werde ich sogleich abreisen.«
    »Das Zimmer steht jederzeit zu Ihrer Verfügung«, sagte sie, und um ihren Mund lag wieder das entzückende Lächeln.
    »Danke sehr. Die Tasche nehme ich mit, den Haus- und Wohnungsschlüssel auch. Man weiß ja nie.«
    Sie betrachtete die Pistole auf dem Tisch. Auf ihrer Stirn, dicht über der Nasenwurzel, erschienen zwei senkrechte Falten.
    »Ach ja, die Waffe. Sie sollen sie unbedingt an sich nehmen, hat der Chef gesagt.« Ihre grauen Augen blickten streng.
    »Sagen Sie Ihrem Chef, wenn er jemanden umbringen will, so soll er das selber machen.«
    »Das wird er nicht gerne hören. Und dann schimpft er wieder mit mir.«
    Sie stand unter der Küchentür, mit verschränkten Armen, den Blick gesenkt. Er ging zu ihr hin und küsste sie auf die Stirn.
    »Wenn ich wieder einmal in Basel bin«, sagte er, »melde ich mich, und wir spielen eine Revanche. Abgemacht?«
    Sie hob den Blick, ein bisschen erschreckt, und sie nickte.
    »Und noch etwas. Ich möchte Ihnen einen Rat geben, natürlich nur, wenn Sie wollen.«
    Sie nickte wieder, sie sah ihn hoffnungsfroh lächelnd an.
    »Sie sind eine blitzgescheite Frau, und Sie wissen das genau. Also spielen Sie nicht dauernd die ahnungslose Unschuld vom Lande.«
    Sie lächelte wie ein Engel, mit flachen Kinderaugen. »Ich glaube beinahe«, sagte sie, »Sie sind ein Macho. Der letzte richtige Macho auf diesem Erdboden. Das ist doch gar nicht mehr modern. Haben Sie das noch nicht gemerkt?«
    Er verbeugte sich höflich, öffnete die Wohnungstür, ging hinaus und zog die Tür behutsam hinter sich zu. Er musste jetzt als Erstes den Amerikanerwagen finden, den weißen Oldtimer mit dunkelrotem Verdeck, der irgendwo in der Nähe der Lörracherstraße stand.

Erika Waldis ging durch die Lörracherstraße zu ihrer Wohnung. Das Trottoir war schneefrei. Im Straßengraben lag der Matsch noch kniehoch. In einem geparkten Wagen saß ein Mann, der eine geschwungene Luzerner Pfeife rauchte und ein Buch las.
    Sie achtete nicht darauf, sie hatte andere Sorgen. Den ganzen Tag über hatte sie immer wieder an den Besuch des Polizisten von gestern Abend gedacht, an seine Fragen nach den Diamanten, an seine Warnung. Sie wusste, dass er recht hatte. Selbstverständlich war Erdogan in Gefahr, und sie als seine Freundin war das auch. Den Zettel mit den Telefonnummern hatte sie bei sich in der Handtasche. Aber sie hatte nicht angerufen, sie brachte es nicht übers Herz.
    Sie hatte verbilligten Aktions-Lachs gekauft und Weißbrot, sie wollte Erdogan verwöhnen. In der Kinderabteilung hatte sie ein Spielzeugschaf aus schwarzem Holz gefunden, dessen Kopf und Rücken mit echter Schafwolle geschmückt waren. Das wollte sie vor seinen Augen auf den Tisch stellen, an diesem Geschenk sollte er ihre treue Liebe erkennen.
    Als sie das Treppenhaus hochstieg, verließ sie einen Moment lang der Mut. Was war, wenn er gar nicht mehr da war? Wenn er mit den Diamanten bereits in die Heimat geflohen war? Dann hatte sie ihn endgültig, für alle Zeiten gesehen. In die Schweiz zurückkommen würde er nie, und in der Türkei suchen konnte sie ihn nicht. Wer

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