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Hunkelers erster Fall - Silberkiesel

Hunkelers erster Fall - Silberkiesel

Titel: Hunkelers erster Fall - Silberkiesel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansjörg Schneider
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war sie denn? Seine Ehefrau, die ihm von Staats wegen angetraut war, die er nicht einfach so verlassen konnte? Nein, diese Rolle hatte eine andere Frau. Sie selber war nur geduldet, jederzeit verstoßbar. Zudem war sie vierzehn Jahre älter als er, noch gut in Form zwar, wie sie fand, gesund und hübsch, aber eben doch schon bald eine alte Frau.
    Sie liebte ihn, wie sie noch nie einen Mann geliebt hatte. Weil er freundlich war, gescheit und zuverlässig. Und weil er nach Myrrhe roch. Er hatte es gut bei ihr, besser als seine Kollegen, die zu sechst in Dreizimmerwohnungen lebten. Er würde sie also in absehbarer Zeit nicht verlassen, wenn nichts Außergewöhnliches geschah. Diese Diamanten waren aber etwas Außergewöhnliches, und deshalb hasste sie sie.
    Das Beste wäre, wenn die Steine verschwinden würden, mir nichts, dir nichts, ohne großes Aufsehen, wegtauchen, so wie sie aufgetaucht waren, basta. Mit der Polizei ging das nicht. Wenn sie die Polizei angerufen hätte, wäre das Verrat gewesen, und Erdogans Liebe wäre in Hass umgeschlagen.
    Sie betrat die Wohnung, entschlossen zum Kampf.
    Erdogan saß auf dem Kanapee vor dem laufenden Fernseher. Nebenan stand sein Koffer, dick und voll, die beiden Schlösser zugeschnappt, mit einem starken Lederriemen gesichert.
    Erika trat zum Tisch, riss das Holzschaf aus der Verpackung und stellte es vor ihn hin. »Koyun«, sagte sie, »das ist unser Schaf.«
    Er schaute sie verständnislos an, nahm das Schaf in die Hand, schaute es an, stellte es wieder hin.
    »Es gibt geräucherten Lachs«, sagte sie, »aus Norwegen. Aktions-Lachs.«
    Sie ging in die Küche, setzte Wasser auf, schüttete Teepulver in den Krug. Sie versuchte, sich zu fassen. Dieser Koffer. Fertig gepackt zur Abreise. Und auf das Schaf war er mit keinem Wort eingegangen.
    Sie legte den Lachs auf die Anrichte, zart geschnittene orangefarbene Scheiben, fein duftend nach Rauch und Fisch. Dazu frisches Brot. Und im Kühlschrank stand noch ein angebrochenes Glas Kapern.
    Aber er wollte fort. Er hatte gepackt, ohne ihr etwas zu sagen.
    Sie merkte, dass sie immer noch Mantel und Kopftuch trug. Sie war geflüchtet vor diesem Koffer in die Küche hinein, sie wollte diesen Koffer nicht sehen.
    Sie trat wieder ins Wohnzimmer, stellte den Fernseher ab, knöpfte sich den Mantel auf.
    »Wo sind die Diamanten?«, fragte sie.
    Er schaute sie an, er hatte Angst. »In meinem Garderobenkasten an der Hochbergerstraße.«
    »Warum?«
    »Dort haben sie schon gesucht. Dort suchen sie nicht mehr.«
    »Warum hast du gepackt?« Es wurde jetzt ein richtiges Verhör, aber das war ihr egal.
    »Ich fliege übermorgen nach Izmir, 11 Uhr 30 ab Zürich-Kloten.«
    Ihr Gesicht war schneeweiß. »Und ich?«
    »Du kannst mitkommen. Du kannst gerne mitkommen. Ich frage Muhammed Ali, ob noch ein Platz frei ist. Bestimmt ist noch ein Platz frei.«
    Er log, und er wusste, dass sie das merkte.
    »Ich hole am Samstagmorgen in der Garderobe die Diamanten, dann fahren wir zusammen nach Kloten, steigen ins Flugzeug und fliegen fort. Einverstanden?«
    »Und du glaubst, die lassen dich einfach so gehen? Sie wissen, dass du die Diamanten hast, sie nehmen an, dass du in die Türkei abhauen willst, und sie werden dich umbringen, bevor du dich in dieses Flugzeug setzen kannst.«
    »Nein«, sagte er, »sie wissen nicht, was ich vorhabe. Sie wissen nicht, dass ich schon übermorgen verreise. Ich bin schneller als sie. Und die Diamanten verschlucke ich.«
    In der Küche pfiff der Wassertopf. Sie ging hin, schaltete die Herdplatte ab und goss auf. Sie ließ den Teekrug stehen und kehrte ins Wohnzimmer zurück.
    »So«, sagte sie, »jetzt rufst du den Polizisten von gestern Abend an. Er ist rund um die Uhr erreichbar, hat er gesagt.« Sie nahm den Zettel aus der Tasche, legte ihn auf den Tisch.
    »Nein. Ich liebe dich, das weißt du. Du bist eine sehr gute Frau für mich.« Er schaute sie an, ehrlich und fest, und sie glaubte ihm. »Aber diese Diamanten muss ich behalten. Es geht nicht anders. Und wenn sie mich umbringen wollen. Diese Diamanten sind wichtiger als ich und du. Ich habe Kinder. Die sollen reich sein, nicht arm.«
    Sie schwieg. Sie wusste, dass es war, wie er sagte.
    »Wenn du willst, kannst du mitkommen. Meine Frau weiß, dass ich hier mit einer andern Frau zusammenlebe. Es gibt schöne Hotels in Selçuk. Man kann dort gut Ferien machen. Ich bezahle das alles. Ich bezahle auch das Auto. Und ich gebe dir Geld, dass du etwas anfangen kannst. Eine

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