Hunter 05 - Späte Vergeltung
Trotzdem hatte er noch keinem gegenüber so reagiert wie bei Chloe Hunter. Er rieb mit den Händen über sein Gesicht und hob den Kopf. Vor ihm lagen stapelweise Akten, doch er schaffte es einfach nicht, sich darauf zu konzentrieren.
Von sich selbst genervt schob er die Mappen zur Seite und stand auf. Es brachte nichts, im Büro zu bleiben, wenn er doch nichts erledigt bekam. Und das lag nur an Chloe. Oder vielmehr an seiner eigenen Blödheit. Nach seiner Aussage hätte er gleich ins Büro zurückgehen sollen, so, wie er es vorgehabt hatte. Doch als er den schmerzerfüllten Ausdruck in Chloes Augen gesehen hatte, nachdem er sie so beleidigt hatte, war er stattdessen in den Gerichtssaal zurückgekehrt und hatte in einer unbeachteten Ecke der weiteren Verhandlung gelauscht. Dabei war es ihm weniger um den Fall gegangen – auch wenn der ihn interessierte – als darum, wie die Verteidigerin ihren Job erledigte.
Wenn er ehrlich war, musste er zugeben, dass Chloe ihn beeindruckte. Sie kokettierte nicht mit ihrem guten Aussehen, sondern präsentierte schlicht aber wirkungsvoll ihre Fakten. Dabei versuchte sie auch nicht, ihren Mandanten als einen guten, aufrechten Bürger darzustellen. Stattdessen schaffte sie es immer wieder, bei den Zuhörern und sicher auch der Jury Zweifel an seiner Schuld zu wecken. Allerdings konnte sie die wenigsten ihrer Theorien auch wirklich beweisen. Nach der Verhandlung hatte Zach sich schnell aus dem Saal geschlichen, damit sie ihn nicht bemerkte. Vielleicht war es feige, aber er wusste, dass eine weitere Begegnung so kurz nach seinem unangebrachten Ausbruch nicht gut enden würde.
Zach zog seine Jacke an und verließ sein Büro. Rasch meldete er sich bei dem Wachhabenden ab, bevor er in den Fahrstuhl stieg und in die Tiefgarage fuhr. Als er sich wenig später mit seinem Wagen in den Verkehr einreihte, verband er sein Handy mit der Freisprecheinrichtung und drückte eine Kurzwahltaste. Er war sich nicht sicher, ob es eine gute Idee war – falsch, er war sich sicher, dass es
keine
gute Idee war –, aber er würde keine Ruhe finden, bis er es erledigt hatte.
»Ja?« Die weiche Stimme drang durch das Wageninnere und brachte etwas in ihm zum Vibrieren. Verdammt, das hatte er doch schon lange hinter sich gelassen!
»Hallo Autumn, hier ist Zach.«
»Zach!« Autumns erfreuter Ausruf ließ ihn lächeln. »Ich freue mich, dass du dich meldest, das letzte Mal ist schon Monate her.«
Das war ihm bewusst, denn er hatte sich absichtlich ferngehalten, aber das konnte er ihr natürlich nicht sagen, denn es würde sie verletzen. »Tut mir leid, hier ist in letzter Zeit die Hölle los.«
»Das weiß ich doch. Und ich kenne es von Jay, der meldet sich auch viel zu selten.« Sie lachte leise. »Wobei das bei ihm in letzter Zeit auch daran liegen kann, dass er zu sehr mit seiner Jocelyn beschäftigt ist.«
Zach schnitt eine Grimasse. Damit war auch der letzte Junggeselle der Hunter-Brüder vergeben, und auf den Feiern, zu denen ihn Autumn immer noch einlud, obwohl er jedes Mal absagte, hätte er noch ein glückliches Paar mehr beobachten können. Sofort fühlte er sich schuldig wegen dieser Gedanken. Der gesamte Hunter-Clan war furchtbar nett, und er wünschte ihnen nur das Beste. Vorzugsweise, wenn er nicht dabei war … »Aber als Detective hat er in San Francisco sicher auch genug zu tun.«
»Leider. Er erzählt nie etwas davon, aber es muss richtig schlimm sein.« Sie räusperte sich. »Aber was schwafele ich hier herum, sicher hast du nicht angerufen, um mit mir über solche Dinge zu reden. Wie geht es dir?«
»Gut, und euch?« Das war zwar gelogen oder zumindest übertrieben, aber er wollte Autumn nicht mit seinen Problemen belästigen.
»Sehr gut. Wir haben jetzt noch eine zweite Katze, genau genommen einen Kater.« Autumn schwieg einen Moment. »Ich habe ihn Tombo genannt.«
Zachs Kehle schnürte sich zusammen, als er den Schmerz in ihrer Stimme hörte. In New York hatte sie damals auch einen Kater namens Tombo gehabt, den ihr Exfreund auf grausame Weise getötet hatte. »Er hätte kaum ein besseres Zuhause finden können.«
»Das denke ich auch. Shane verwöhnt ihn nach Strich und Faden.« Autumn klang schon wieder wesentlich fröhlicher. »Was ist los, Zach?«
Für einen Moment wusste er nicht, was er sagen sollte. Dann stieß er einen tiefen Seufzer aus. »Du kennst mich zu gut.«
»Du bist mein Freund, Zach, natürlich kenne ich dich und interessiere mich dafür, was in deinem
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