Hunter 05 - Späte Vergeltung
Tür auf, ich muss mit dir sprechen.«
Sie presste eine Hand auf ihre Kehle, die sich bereits wieder zuschnürte und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Tür. Nur mit Mühe brachte sie überhaupt einen Ton hervor. »Geh weg.« Grandios, das klang sehr erwachsen. Aber es passte zu ihrer derzeitigen Stimmung. Am liebsten würde sie sich irgendwo verkriechen und sich die Decke über den Kopf ziehen.
Einen Moment lang herrschte Stille, dann ertönte ein dumpfes Geräusch. Gegen ihren Willen neugierig geworden, blickte Chloe wieder durch den Spion. Sie konnte nur noch ein Stück seiner Wange sehen, es schien, als hätte er seine Stirn gegen das Holz gelehnt. Für einen winzigen Augenblick überlegte sie, ob er krank war und Hilfe brauchte, doch dann setzte ihr Verstand wieder ein. Wenn es Zach gelungen war, in den vierten Stock zu kommen, dann würde er es auch wieder nach unten schaffen. Ohne ihre Hilfe.
»Bitte, Chloe.« Seine Stimme klang rau und müde, so, als hätte er ebenfalls einen sehr anstrengenden Tag hinter sich.
Mühsam unterdrückte sie einen Anflug von Mitleid. »Ich denke, wir haben uns bereits heute Mittag alles gesagt. Geh jetzt bitte.«
Zach hob den Kopf, und sie konnte jetzt direkt in seine dunkelbraunen Augen blicken. Sie glaubte, dort Bedauern zu erkennen, doch das konnte auch an der Verzerrung durch den Spion liegen. »Ich hätte es vorgezogen, das nicht im Hausflur sagen zu müssen, wo jeder deiner Nachbarn mithören kann, aber ich kann verstehen, dass du mir nicht die Tür öffnen willst.« Er holte tief Luft. »Wir haben vorhin nicht alles gesagt, beziehungsweise, ich habe zu viel gesagt. Es tut mir leid, Chloe, meine Worte waren völlig inakzeptabel. Es war nicht richtig, dich mit Curtis zu vergleichen, und ich wünschte, ich könnte die Worte wieder zurücknehmen, aber das geht leider nicht.«
Nein, das ging tatsächlich nicht, sie würden wohl für lange Zeit in ihr Gehirn eingebrannt sein.
Zach trat einen Schritt zurück und rieb mit der Hand über sein Gesicht. »Das wollte ich dir nur sagen, auch wenn es jetzt zu spät ist. Ich denke, dass du eine sehr gute und gewissenhafte Anwältin bist, Chloe. Allerdings weiß ich auch, zu was Curtis fähig ist und ich möchte einfach nicht, dass er noch einmal die Chance erhält, einer anderen Frau so etwas anzutun. Und das würde er, wenn du erreichst, dass das Verfahren gegen ihn eingestellt wird.«
Damit konnte er durchaus recht haben, aber trotzdem konnte sie nicht einfach einen – in dem Fall – unschuldigen Mann ins Gefängnis gehen lassen, wenn sie der Überzeugung war, dass er den Mord nicht begangen hatte. Der Druck um ihren Brustkorb löste sich ein wenig. Zach hatte sich extra die Mühe gemacht, ihre Adresse ausfindig zu machen und war hierhergekommen, um sich zu entschuldigen. Dies löschte das Gesagte zwar nicht vollständig aus, aber sie konnte es akzeptieren. Wie oft hatte sie etwas im Eifer des Gefechts gesagt, das ihr hinterher leidgetan hatte, und ihr war immer verziehen worden. Mit einem tiefen Atemzug trat sie zurück und öffnete die Tür einen Spaltbreit. Zach hatte sich bereits umgedreht, so, als wollte er gehen.
»Danke für die Entschuldigung.«
Zach blickte sie ernst an und nickte dann. »Danke, dass du noch mit mir redest. Ich könnte es verstehen, wenn du nie wieder ein Wort mit mir wechseln würdest.«
Zum ersten Mal seit dem Debakel im Gerichtsgebäude breitete sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht aus. »Das wäre dann doch etwas drastisch und vor allem unpraktisch, wenn wir uns irgendwann bei einer Familienfeier begegnen sollten.« Sie wurde ernst. »Aber mach so etwas bitte nicht noch einmal, Zach. Es hat mir wehgetan, dass du so von mir denkst.« Chloe biss sich auf die Lippe. Das hatte sie gar nicht sagen wollen, es passierte häufiger, dass ihr etwas herausrutschte, das besser ungesagt geblieben wäre.
Zach trat einen Schritt vor und berührte mit seinen Fingerspitzen ihren Handrücken. »Ich verspreche es. Und sollte ich irgendwann noch einmal einen solchen Mist von mir geben, hast du meine Erlaubnis, mir etwas über den Kopf zu ziehen.«
»Oh, jetzt wünschte ich fast, es wäre schon so weit.«
Seine Mundwinkel hoben sich. »Das klang schon eher nach der Chloe Hunter, die ich kenne.«
Sofort verschwand ihre Belustigung. »Zach, du kennst mich nicht wirklich. Wir sind uns, abgesehen von heute, erst einmal begegnet, und da bist du geflüchtet. Und ich kenne dich auch nicht; von daher sollten wir es
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