Hunter 05 - Späte Vergeltung
neutral, und er erhob sich. »Hallo Chloe, komm herein.«
Als sie eingetreten war, blickte Chloe sich kurz in dem recht kleinen Raum um, dessen Mobiliar die besten Zeiten schon lange hinter sich hatte. »Guten Morgen, Zach.« Sie schloss die Tür hinter sich, was Zach mit zusammengeschobenen Augenbrauen quittierte. »Kann ich kurz mit dir unter vier Augen reden? Es ist wirklich wichtig.«
»Natürlich.« Während er das Wort aussprach, konnte sie beinahe seinen eigentlichen Gedanken hören:
Wenn es sein muss.
Er deutete auf den Stuhl, der vor seinem Schreibtisch stand, und wartete, bis sie sich gesetzt hatte, bevor er wieder auf seinem Drehstuhl Platz nahm.
Chloe mochte Männer mit Manieren, deshalb lächelte sie ihn an. »Danke.« Sie faltete ihre Hände über der Aktentasche, die sie auf ihren Schoß gelegt hatte. »Ich möchte mich bei dir für die Entschuldigung bedanken – und auch für die Pizza, obwohl die nicht nötig gewesen wäre.«
Unbehaglich zuckte Zach mit den Schultern. »Die Entschuldigung war angebracht und die Pizza nur eine kleine Wiedergutmachung, zu der ich mich spontan entschlossen habe, als mir der Bote entgegenkam und erwähnte, sie wäre für dich.« Ein kleines Lächeln huschte über sein Gesicht. »Obwohl ich sie ihm eigentlich lieber abgenommen hätte, sie roch richtig verführerisch.«
Dass er sich in ihrer Gegenwart entspannt genug fühlte, um sogar einen kleinen Scherz zu machen, gab ihr Hoffnung für ihr Vorhaben. Chloe zwinkerte ihm zu. »Und du glaubst gar nicht, wie gut sie geschmeckt hat.«
Zach stöhnte auf. »Das war jetzt gemein.« Er schluckte hörbar. »Jetzt läuft mir das Wasser im Mund zusammen.«
Lachend beugte Chloe sich vor. »Selbst schuld.«
Sofort wurde Zach ernster. »Das stimmt allerdings. Es wird nicht wieder vorkommen.«
Chloe nickte. »Das hoffe ich.« Einen Moment lang ließ sie sich davon ablenken, wie das Sonnenlicht das Rot in seinen braunen Haaren zum Vorschein brachte. Zu gerne würde sie ihre Hände hineingraben und feststellen, ob sie so weich waren, wie sie aussahen.
»Chloe? Bist du nur deshalb gekommen?«
Wärme stieg in ihre Wangen, als sie erkannte, dass sie sich von ihrer Mission hatte ablenken lassen. »Nein. Ich möchte gerne mit dir über Jesse Curtis sprechen.«
Sofort verschloss sich seine Miene. »Der Teil meiner Aussage gestern bleibt bestehen: Ich glaube, dass Curtis der Täter war, und habe ansonsten nichts mehr dazu zu sagen. Es ist nicht mein Fall.«
Chloe lehnte sich vor. »Bitte, Zach, ich weiß nicht, mit wem ich sonst darüber reden könnte. Deine Kollegen von der Mordkommission und die Staatsanwaltschaft weichen nicht von ihrem Standpunkt ab und sind nicht bereit, weitere Ermittlungen anzustellen.«
»Dann haben sie vielleicht ihre Gründe dafür.«
Wut regte sich in ihr. »Ja, nämlich den, dass es einfacher ist, Jesse Curtis zu verurteilen, als nach dem wahren Täter zu suchen.«
»Das sind meine Kollegen, über die du gerade redest, Chloe.«
Wenn sie ihre Haare nicht hochgesteckt hätte, würde sie jetzt mit beiden Händen daran ziehen, so frustriert war sie. Seit Wochen die gleiche Reaktion bei allen, die sie darauf angesprochen hatte. »Ich weiß, und ich finde es traurig, dass es anscheinend jedem egal ist, wenn ein Mörder ungestraft davonkommt.«
»Chloe …«
»Nein, Zach, ich bin nicht hier, weil ich es so lustig finde. Oder weil ich meinen Mandanten mag, das tue ich nämlich ganz und gar nicht. Mir geht es allein darum, die Wahrheit herauszufinden und einem fälschlich Angeklagten zum Recht zu verhelfen.« Mit Mühe ließ sie ihre Stimme sanfter klingen. »Du hast Candice gesehen und weißt, was für ein brutaler Mistkerl sie getötet hat. Möchtest du, dass so etwas noch einer anderen Frau geschieht?«
Zach wurde blass, und ein Muskel zuckte in seiner Wange. »Das war ein Tiefschlag, Chloe.«
»Ich weiß, und es tut mir leid. Aber ich möchte einfach nicht, dass wir einen riesigen Fehler begehen.«
Mit einem tiefen Seufzer lehnte Zach sich in seinem Stuhl zurück. »Bist du bei jedem deiner Fälle so engagiert?«
In der Gewissheit, dass sie gewonnen hatte und er ihr wenigstens zuhören würde, fand sie ihr Lächeln wieder. »Natürlich, wie sollte ich sonst meinen Job gut machen?«
»Warum bist du dann nicht normale Verteidigerin geworden? Du würdest viel mehr Geld verdienen.«
Sie holte die Unterlagen aus der Aktentasche. »Stimmt, aber die Gerechtigkeit interessiert mich mehr als ein hoher
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