Hunter 05 - Späte Vergeltung
Verdächtige nicht der Täter sein kann.«
So knapp wie möglich berichtete Chloe von ihren Erkenntnissen und der zuerst sehr mühseligen Zusammenarbeit mit der Polizei. Je länger sie redete, desto finsterer wurde Maries Miene, deshalb bemühte Chloe sich, sie nicht mehr anzusehen, sondern sich ganz auf die Kollegen zu konzentrieren, die wirklich daran interessiert waren.
Einige Minuten später war die Befragung beendet, und der Fokus aller richtete sich auf andere Fälle. Zufrieden, dass ihre Vorgesetzten ihr Engagement im Curtis-Fall bemerkt hatten, gleichzeitig aber auch froh darüber, dass sie nicht mehr im Mittelpunkt stand, lauschte sie mit einem Ohr, während ihre Gedanken ansonsten darum kreisten, wie sie Zach für seine Hilfe danken könnte. Sie könnte ihm eine Flasche Wein schicken, aber das war ihr zu unpersönlich, vor allem, weil sie gar nicht wusste, ob er überhaupt Alkohol trank. Nein, es wäre besser, wenn sie sich persönlich bei ihm bedankte. Dann könnte sie ihn auch noch einmal sehen, mit ihm zu sprechen und einfach in seiner Nähe sein. Chloe schüttelte den Kopf. Ging es noch peinlicher, sich einem Mann aufzudrängen, der nun schon mehrfach deutlich gemacht hatte, dass er nichts mit ihr zu tun haben wollte?
Endlich war die Dienstbesprechung zu Ende, und Chloe kehrte erleichtert in ihr Büro zurück. Gerade als sie die Tür hinter sich schließen wollte, wurde sie von außen wieder aufgestoßen und Marie trat in den Raum. Genau das, was ihr jetzt noch gefehlt hatte. Chloe versuchte, sich ihren Widerwillen nicht anmerken zu lassen, und setzte sich hinter ihren Schreibtisch.
Eine offensichtlich aufgebrachte Marie folgte ihr, stützte die Hände auf die Schreibtischplatte und beugte sich vor. »Glaub nicht, dass ich es zulassen werde, dass du den ganzen Ruhm für den Gewinn des Curtis-Prozesses einsackst.«
Ruhig blickte Chloe sie an. »Warum nicht? Es war schließlich meine Arbeit, die dazu geführt hat, dass der Angeklagte freigelassen wurde.«
Rote Flecken erschienen auf Maries Wangen, und ihre Augen glitzerten wütend. »Du stehst immer noch unter meiner Verantwortung und kannst nichts tun, ohne dass ich es absegne. Es wäre gut, wenn du dich beim nächsten Mal daran erinnerst, denn noch einmal werde ich nicht zulassen, dass du dich so in den Vordergrund stellst.«
Chloe bemühte sich, ihren Ärger nicht zu zeigen. »Das habe ich nie getan, und das weißt du. Aber ich sehe es auch nicht ein, unsere Vorgesetzten anzulügen, nur damit du dich besser fühlst.«
»Du …«
»Entschuldige mich, ich habe noch einige andere Dinge vorzubereiten.«
Marie richtete sich auf, und ihre Augen feuerten Dolche in Chloes Richtung. Schweigend wandte sie sich um und verließ das Büro.
Chloe zuckte zusammen, als die Tür laut hinter ihr ins Schloss fiel. Vermutlich hatte sie sich gerade keinen Gefallen getan, aber sie war es leid, sich von Marie so behandeln zu lassen. Die Anwältin war völlig unfähig, wenn es darum ging, Untergebene zu führen. Und wenn Marie nicht irgendwann merkte, dass Chloe sich die miese Behandlung nicht länger gefallen lassen würde, war sie tatsächlich gezwungen, damit entweder zu einem der Vorgesetzten zu gehen oder zu kündigen.
9
Nach einer anstrengenden Schicht stieg Zach langsam die Treppe zu seiner Wohnung hinauf. Manchmal wünschte er sich, er hätte nicht gerade die oberste Wohnung im Dachgeschoss eines vierstöckigen Hauses ohne Fahrstuhl. Er wollte jetzt nur noch schnell etwas essen und dann ins Bett fallen. Die Hitze setzte ihm auch zu, sein Schädel fühlte sich an, als würde er jeden Moment explodieren. Wobei das nicht nur an der Wärme lag, sondern auch an dem bedrückenden Fall, den er heute bearbeitet hatte. Wie konnten Menschen sich so etwas gegenseitig antun, besonders wenn einer wesentlich schwächer war und man ihn angeblich liebte? Aber das würde er wohl nie verstehen. Mit einer Hand hielt er sich am Treppengeländer fest, weil die alte Kopfverletzung manchmal seinen Gleichgewichtssinn störte.
Gerade als er die letzte Stufe erklomm, bemerkte er, dass jemand vor seiner Wohnungstür saß. Seine Instinkte ließen ihn sofort zu seiner Waffe greifen, aber bereits während der Bewegung merkte er, dass keine Gefahr drohte. Die Person war zusammengesunken und für einen Moment glaubte er, dass sie tot wäre. Sein Herz blieb eine Schrecksekunde lang stehen, bis er erkannte, dass sie nur schlief. Mit einem erleichterten Seufzer hockte er sich neben sie
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