Hunter 05 - Späte Vergeltung
sie auf den Wagen zu, öffnete die hintere Tür und stieg ein.
Als sie dem Fahrer ihr Ziel nannte, verzog er missbilligend den Mund. »Sicher, dass Sie da hinwollen, Miss? Die Gegend ist nichts für eine junge Frau wie Sie.«
Chloe unterdrückte ein Seufzen und lächelte ihn an. »Ja, ich bin sicher. Es ist helllichter Tag, und ich bin gut darauf vorbereitet. Aber danke für Ihre Besorgnis.«
Der Mann blickte sie im Rückspiegel an. »Wie Sie meinen.« Schulterzuckend gab er Gas und fädelte sich in den Verkehr ein.
Zwanzig Minuten später hielten sie vor einem Gebäude an, das eindeutig bessere Zeiten gesehen hatte. Genauso wie das ganze Viertel. Auf die Wände waren großflächige Graffitis gesprüht, der Asphalt war an vielen Stellen löchrig, einzelne Gehplatten auf dem schmalen Fußweg herausgerissen. Ja, eindeutig nicht die Gegend, in der sie sich freiwillig aufhalten würde. Aber vermutlich waren hier die Mieten niedrig genug, dass Leute wie Curtis sie sich irgendwie leisten konnten. Jetzt schämte sie sich fast dafür, dass sie über ihre eigene Wohnung gejammert hatte – wenigstens war sie sauber, renoviert und lag in einer halbwegs ansprechenden Nachbarschaft.
Chloe reichte dem Fahrer das Geld. »Könnten Sie hier auf mich warten?«
Er blickte sie nicht an. »Tut mir leid, Miss, ich habe noch einen anderen Kunden, den ich gleich abholen muss.«
Ja, alles klar.
Wahrscheinlich wollte er einfach nur nicht länger in dieser Gegend stehen. »Okay. Dann einen schönen Tag noch.«
Chloe stieg aus und schnitt eine Grimasse, als ihr Schuh in einem undefinierbaren Matsch in der Rinne vor der Bürgersteigkante versank. Mit mehr Wucht als nötig schlug sie die Tür zu und blickte dem Taxi hinterher, als es davonbrauste. Sofort glaubte sie von allen Seiten Blicke auf sich gerichtet zu spüren und beeilte sich, in den zweifelhaften Schutz des Gebäudes zu kommen. An der Haustür angekommen blickte sie auf das Klingelbrett und stöhnte. Es waren kaum Namen darauf, und einige waren etliche Male überklebt oder überschrieben worden. Und keiner davon lautete Curtis. Gut, das war vielleicht noch verständlich, da er erst gestern hier eingezogen war. Die Frage war nur, wie sie ihn finden sollte, zumal auch die Apartmentnummern nicht an den Klingeln standen.
Schließlich zählte sie von oben durch und drückte auf einen Knopf, neben dem kein Name stand, von dem sie aber hoffte, dass er zur Wohnung 4C gehörte. Chloe wartete, doch nichts geschah. Gerade als sie einen weiteren Klingelknopf ausprobieren wollte, ging von innen die Tür auf und eine relativ junge, aber trotzdem schon verbraucht wirkende Frau mit einem Baby auf der Hüfte blickte sie irritiert an.
»Wer sind Sie?«
»Entschuldigen Sie, habe ich bei Ihnen gerade geklingelt? Das tut mir leid. Ich wollte zu Jesse Curtis, er ist ganz neu hier im Haus und hat anscheinend noch kein Namensschild an der Klingel. 4C.« Hoffnungsvoll sah Chloe die Frau an.
»Kenn ich nicht. Ist mir aber auch völlig egal. Die Türöffner sind kaputt und wir müssen jetzt jedes Mal runterlaufen, wenn jemand klingelt.« Wütend funkelte die Frau sie an.
»Das t…«
»Ja, ja. Und wer sind Sie nun? Sie kommen nicht hier aus der Gegend.« Sie formulierte es nicht als Frage.
»Ich bin Anwältin.«
Die schlecht gezupften Augenbrauen schossen in die Höhe. »Werden da jetzt schon Teenager zugelassen?«
Chloe stieß einen stummen Seufzer aus. »Nein. Können Sie mir sagen, welcher Klingelknopf zu 4C gehört?«
»Woher soll ich das wissen?« Die Frau trat einen Schritt zurück, und Chloe fing rasch die Tür auf, bevor sie sich hinter ihr schließen konnte. »Gehen Sie einfach rein und klopfen Sie an seine Tür.«
»Danke.« Chloe schloss die Haustür hinter sich und stieg hinter der Frau die Treppe des düsteren und muffig riechenden Gebäudes hinauf.
Aus einigen Wohnungen drang Lärm von Fernsehern und irgendwelchen Haushaltsgeräten. Der Geruch nach Kaffee und verbranntem Essen stieg in Chloes Nase, und sie musste einen automatischen Würgereflex unterdrücken. Mit zusammengebissenen Zähnen stieg sie in den vierten Stock hinauf, nachdem die Frau ohne ein Wort in einem Gang verschwunden war, und suchte nach der Tür mit der Nummer 4C. Nach kurzer Zeit wurde sie fündig und atmete erleichtert auf. Wenn möglich, wollte sie hier so schnell wie möglich wieder raus. Hoffentlich war Curtis schon wach, sie hatte keine Lust, noch einmal wiederzukommen.
Entschlossen, die Sache endlich
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