Hunter 05 - Späte Vergeltung
erwartet hatte, sondern er hing mit einem Strick um den Hals vom Deckenventilator! In der Nähe lag ein umgestürzter Hocker. Ganz offensichtlich kam jede Hilfe zu spät. Seine weit aufgerissenen Augen quollen aus dem blaurot verfärbten Gesicht, seine Zungenspitze schaute zwischen den Zähnen heraus. Curtis trug lediglich eine zerschlissene Unterhose und war am ganzen Körper totenbleich. Nachträglich wurde ihr auch der Gestank bewusst, der durch die offene Tür drang, und sie presste eine Hand über Mund und Nase. Ihre Beine gaben nach, und sie rutschte an der Wand nach unten.
Übelkeit breitete sich in ihr aus. Sie musste hier raus! Chloe rappelte sich schnell wieder auf. Mit wackeligen Beinen rannte sie los und stürzte aus der Wohnungstür. Im Treppenhaus hatte sie einen Moment Mühe, sich zu orientieren, doch dann fand sie den Weg nach unten. Um nicht hinzufallen, hangelte sie sich am Treppengeländer nach unten. Trotzdem verfehlte sie die letzte Stufe und strauchelte. Erst im letzten Augenblick konnte sie sich abfangen und lehnte für einen Moment ihre Stirn an ihren Arm. Ihr Magen hob sich erneut, und sie hatte Mühe, sich nicht zu übergeben.
Schließlich schaffte sie es mit letzter Kraft nach draußen, lehnte sich dort mit den Händen auf den Knien vor und atmete tief durch, um sich zu beruhigen und den Gestank von Tod aus ihrer Nase zu bekommen.
Mit zitternden Fingern zog sie das Handy aus ihrer Hosentasche und suchte Zachs Nummer heraus. Während sie darauf wartete, dass er abnahm, lehnte sie sich mit der Hüfte an ein Geländer, das den Kellereingang umgab. Die Hitze des Metalls brannte sich in ihre Haut, aber sie hieß das Gefühl willkommen. Trotz der Umgebungswärme war sie völlig ausgekühlt und bebte am ganzen Körper. Der Teil ihres Verstandes, der noch funktionierte, sagte ihr, dass sie unter Schock stand, aber sie schaffte es einfach nicht, ihre Panik abzuschütteln.
»Ja?«
Zachs tiefe Stimme drang beruhigend an ihr Ohr, und Chloe brauchte einen Moment, bis sie einen Ton herausbrachte. »H…hier ist C…Chloe.«
»Chloe? Was ist los? Geht es dir gut?« Besorgnis klang deutlich hörbar in seinen Fragen mit.
»J…ja. Nein.« Chloe blies ihren Atem aus und versuchte, sich zusammenzureißen. »Ich bin unverletzt, aber Curtis, er …«
Zach unterbrach sie. »Curtis? Was macht er denn bei dir? Belästigt er dich?«
Chloe schloss die Augen. »Nein, er ist … tot. Und ich bin bei ihm, nicht umgekehrt.«
Einen Moment lang herrschte Stille, und sie befürchtete schon, dass Zach aufgelegt hätte, als er wieder sprach. »Curtis ist tot, habe ich das richtig verstanden?«
»Ja.«
»Hast du ihn …?«
Ihre Augen flogen auf. »Nein! Natürlich nicht, er war schon tot, als ich ankam. Er hat sich … erhängt.«
»Entschuldige, ich musste das fragen. Hast du schon die Polizei gerufen?«
»N…nein. Daran habe ich noch gar nicht gedacht.« Genau genommen hatte sie nur zwei Gedanken gehabt: »raus hier« und »Zach«.
»Okay. Dann mach das jetzt. Aber gib mir vorher noch die Adresse, dann komme ich so schnell wie möglich dorthin.«
Chloe diktierte ihm die Adresse und spürte, wie ihre Anspannung ein wenig nachließ. »Danke, Zach.«
»Kein Problem. Warte einfach vor dem Haus auf die Polizei.«
Mit einer gewissen Erleichterung beendete Chloe das Gespräch. Es war ihr zwar peinlich, dass sie es offensichtlich nicht schaffte, eine solche Situation allein zu bewältigen, aber sie wusste, dass jetzt alles gut werden würde, weil Zach kam. Seine Bereitschaft, alles stehen und liegen zu lassen, um sie zu unterstützen, löste Wärme in ihr aus und es gelang ihr, den Schock ein wenig abzuschütteln. Sie rief beim Notruf an, schilderte die Situation und setzte sich anschließend auf die untere Sprosse des Geländers, um auf die Polizei zu warten.
Es dauerte eine Viertelstunde, bis der erste Streifenwagen eintraf – anscheinend war ein Selbstmord kein dringender Notfall, und die Polizisten konnten sich Zeit lassen. Und es ließ Chloe einige Minuten der Ruhe, um über das Geschehene nachzugrübeln und zu dem Schluss zu kommen, dass irgendetwas an der Sache faul war.
Sie stand auf, als einer der Polizisten auf sie zukam.
»Sind Sie Ms Hunter, die den Notfall gemeldet hat?« Er war noch jung, auf seinem Uniformhemd stand der Name Kusack.
»Ja, genau. Ich bin – war – die Anwältin von Mr Curtis und bin hergekommen, um noch ein paar Dinge mit ihm zu klären.«
»Wie haben Sie den Toten
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