Hunter 05 - Späte Vergeltung
ihre Hände. Curtis würde bis morgen warten müssen, sie war heute zu keinem klaren Gedanken mehr fähig. Langsam stand sie auf und dehnte ihren steifen Rücken. Vermutlich würde sie sowieso nicht schlafen können, nachdem sie gerade wieder in die furchtbaren Einzelheiten des Verbrechens vertieft gewesen war. Doch das war mittlerweile nichts Neues mehr für sie, und sie hatte gelernt, damit klarzukommen. Es war nur ein kleiner Preis dafür, dass sie ihren Traumjob ausüben durfte.
Wenig später lag sie im Bett und starrte im Dunkeln an die Decke. Von dort blinkten ihr einige kleine Lämpchen entgegen, die auf diese Entfernung wie Sterne aussahen. Es war ihr kleines Zugeständnis an die Tatsache, dass sie sich nach der Ranch in Montana sehnte, und gab ihr ein wenig das Gefühl, sie würde dort in ihrem Bett liegen und in den Nachthimmel schauen. Ob Zach wohl genauso wach lag und sich fragte, was zwischen ihnen passiert war? Als ihr klar war, dass sie wieder bei dem Thema angekommen war, das sie garantiert wach halten würde, vergrub sie ihr Gesicht mit einem Stöhnen im Kopfkissen.
Da der nächste Morgen ein Samstag war und sie keinen aktuellen Prozess zu betreuen hatte, wachte sie erst auf, als ihr Nachbar meinte, eine Dusche nehmen zu müssen. Das Knattern und Röcheln der alten Rohre durch die dünnen Wände konnte selbst Tote aufwecken und war der einzige Minuspunkt der Wohnung. Mit einem Stöhnen zog sie die Bettdecke über den Kopf, was aber nur bedingt half. Die Decke dämpfte ihren frustrierten Schrei, als sie erkannte, dass sie nicht wieder einschlafen würde. Dann konnte sie genauso gut aufstehen und den Tag beginnen, schließlich hatte sie genug zu tun. Während der Nacht war sie zu dem Entschluss gekommen, zu Curtis’ neuer Bleibe zu fahren, anstatt zu versuchen, ihn anzurufen. Sie war sich ziemlich sicher, dass er sofort auflegen würde, wenn er ihre Stimme hörte. Und selbst wenn nicht, musste sie sein Gesicht sehen, um herauszufinden, ob er sie belog.
Ein wenig mulmig war der Gedanke schon, ganz allein zu ihm zu fahren, und sicherlich war es auch ziemlich leichtsinnig, einem potenziell gewaltbereiten Mann seines Kalibers ohne Schutz gegenüberzutreten. Aber wen sollte sie um Hilfe bitten? Zach wollte sie nicht schon wieder belästigen, da sie sowieso schon das Gefühl hatte, ihn ständig gegen seinen Willen zu bedrängen. Und jemand anders fiel ihr nicht ein.
Allerdings konnte sie sich eine deutlich bessere Beschäftigung für einen sonnigen Sommertag vorstellen, als erneut diesem Widerling begegnen zu müssen. Besonders nach dem, was er gestern zu ihr gesagt hatte. Während des Prozesses hatte er sich ihr gegenüber noch weitestgehend zurückgehalten, wahrscheinlich weil er befürchtete, dass sie sich nicht mehr bemühen würde, wenn er sein wahres Wesen zeigte. Offensichtlich schien ihm das jetzt nicht mehr nötig, nachdem er wieder auf freiem Fuß war. Aber davon würde sie sich nicht beeinflussen lassen. Sie musste wissen, ob Candice Meadows’ Vorleben in irgendeiner Weise mit ihrem Tod zusammenhing, und Curtis war der Einzige, der ihre Fragen diesbezüglich beantworten konnte.
Wieder ergriff die Anspannung von ihr Besitz, und Chloe bemühte sich, das schlechte Gefühl abzuschütteln. Vermutlich war das alles nur Zufall, und sie machte sich völlig umsonst Sorgen, dass die Sache mit einem ihrer alten Fälle zu tun haben könnte. Die Wahrscheinlichkeit dafür stand sowieso nicht besonders hoch, doch irgendwie ließ der Gedanke sie nicht wieder los, dass sie irgendetwas übersehen hatte. Und bis das geklärt war, würde sie alles dafür tun, den wahren Mörder zu finden. Leider sah es bisher nicht so aus, als würden sich die Detectives wirklich anstrengen, den Fall aufzuklären. Entweder weil sie keine neue Spur hatten oder es ihnen schlicht egal war. Schließlich war das Opfer nur eine Frau aus der Unterschicht. Wie immer machte sie dieser Gedanke wütend. Es war natürlich ein wenig unfair, die meisten der Polizisten leisteten gute Arbeit, und es war ihnen egal, woher das Opfer kam.
Kopfschüttelnd machte Chloe sich im Bad fertig, aß eine Kleinigkeit und verließ dann ihre Wohnung. Heute trug sie mit ihrer Leinenhose und einer leichten Bluse eine Mischung aus Arbeitskleidung und legerem Freizeitoutfit. Da Curtis’ neue Wohnung nicht gerade in einer besonders guten Wohngegend lag, hatte sie sich ein Taxi bestellt, das bereits vor der Tür wartete, als sie aus dem Haus trat. Rasch ging
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