Hunter 05 - Späte Vergeltung
hinter sich zu bringen, drückte Chloe auf den Klingelknopf, der neben der Tür angebracht war. Aus dem Inneren der Wohnung hörte sie einen scheppernden Gong. Unbewusst straffte sie ihre Schultern und hob ihr Kinn. Curtis würde merken, dass sie sich nicht von seiner rüpelhaften Art beeindrucken ließ. Sie würde die Informationen von ihm bekommen, irgendwie. Doch niemand öffnete die Tür, und sie konnte auch nichts aus dem Inneren der Wohnung hören.
Mist!
Sie hatte nicht erwartet, dass Curtis um diese Uhrzeit schon weg sein würde, aber es war natürlich möglich. Oder er schlief alkoholbedingt so tief, dass er die Klingel nicht gehört hatte.
Chloe presste die Lippen zusammen und klingelte erneut. Wieder keine Antwort. Nicht bereit, so schnell aufzugeben, zog sie ihr Handy heraus und wählte Curtis’ Nummer, die sie noch in ihrer Wohnung in die Kontaktliste gespeichert hatte. Wenn er antwortete und ihr sagte, wo er gerade war, könnte sie auch dorthin fahren. Niemand nahm ab, doch sie glaubte, eine leise Melodie aus der Wohnung zu hören, die verstummte, als sie die Verbindung beendete. Zumindest wusste sie jetzt sicher, dass dies wirklich seine Wohnung war. Entweder war er da, oder er hatte sein Handy liegen lassen und wäre nicht erreichbar, bis er wieder nach Hause kam. So hatte sie sich ihren Ausflug nicht vorgestellt, auch wenn sie zugeben musste, dass es ein wenig leichtsinnig gewesen war, auf gut Glück hierherzufahren.
In einem letzten Versuch hob Chloe die Hand und klopfte laut an die Tür. Überrascht spürte sie, wie das Holz unter ihren Fingerknöcheln nachgab und die Tür ein wenig nach innen aufschwang. Chloe versuchte, durch den kleinen Spalt etwas zu sehen, aber es war zu dunkel in der Wohnung.
»Mr Curtis? Hier ist Chloe Hunter, ich möchte mit Ihnen sprechen.« Ihre Stimme hallte laut durch den Gang, und Chloe sah sich unbehaglich um.
Wenn möglich wollte sie keine Zeugen für ihren Besuch, daher schob sie die Tür ein Stück weiter auf und schob den Kopf durch den Spalt. »Mr Curtis?«
Wieder erfolgte keine Antwort, und sie überlegte, was sie nun tun sollte. Das Sinnvollste wäre sicher, die Tür hinter sich zuzuziehen und zu gehen, doch sie konnte sich nicht dazu durchringen. Vielleicht lag Curtis irgendwo hilflos herum, weil er zu viel getrunken hatte. Dann würde sie sich unterlassener Hilfeleistung schuldig machen. Ja, ein guter Grund, die Tür noch weiter aufzuschieben und hindurchzuschlüpfen, aber auch nicht ihr einziger. Mit schlechtem Gewissen schloss sie die Wohnungstür hinter sich und blickte sich nervös in dem düsteren Raum um. Rasch betätigte sie den Lichtschalter und verzog den Mund, als sie sich in dem mit Kisten und Müllsäcken vollgestopften Raum umsah. Offenbar war Curtis noch nicht dazu gekommen, seine Habseligkeiten auszupacken. In der kleinen Küchenecke lagen Verpackungen eines Fast-Food-Restaurants auf der Spüle.
Es gingen zwei weitere Türen von dem Raum ab, hinter einer vermutete sie das Bad, die andere musste zum Schlafzimmer führen. »Mr Curtis, sind Sie hier?«
Die Stille hatte etwas Unheimliches, und ein Schauer lief über Chloes Rücken. Sie war für so etwas eindeutig nicht geschaffen. Ihr Bruder Clint hätte mit keiner Wimper gezuckt, und auch Jay hatte als Detective sicher genug Wohnungen durchsucht, aber sie hatte extra die Seite des Justizapparats gewählt, bei der sie nur indirekt mit Verbrechen zu tun haben würde. Zögernd durchquerte sie den Raum und legte ihre Hand an eine der beiden Türen. Mit einem unheilvollen Quietschen öffnete sie sich und offenbarte ein winziges Bad. Ein benutztes Handtuch lag auf dem Boden, aber sonst sah der Raum noch ziemlich unberührt aus. Okay, sie würde nur sicherstellen, dass Curtis nicht hier war und dann sofort verschwinden.
Chloe holte noch einmal tief Luft, dann drückte sie die Klinke zum Schlafzimmer hinunter. Ihre Hand zitterte, als sie die Tür aufstieß und einen Blick in den Raum warf. Das ungemachte Bett war leer, und Chloe wollte sich gerade erleichtert wieder zurückziehen, als sie aus den Augenwinkeln eine Bewegung bemerkte. Erschreckt riss sie ihren Kopf herum und stieß unwillkürlich einen entsetzten Schrei aus, bevor sie rückwärts aus dem Raum stolperte.
11
Im Wohnzimmer lehnte sie sich an die Wand und schloss die Augen, was aber nicht dabei half, den schrecklichen Anblick aus ihrem Gedächtnis zu vertreiben. Curtis war zu Hause, allerdings nicht schlafend oder betrunken, wie sie
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