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Hurra, die Lage wird ernst

Hurra, die Lage wird ernst

Titel: Hurra, die Lage wird ernst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Bell
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Ruhe fand ich zwar nicht, aber als wir
endlich angelangt waren, stellte ich zufrieden fest, daß ich Glück gehabt
hatte. Ich war nur ein einziges Mal im Parterre gelandet, hatte mir bei einem
Bremsmanöver nur ganz leicht die rechte Vorderpfote geprellt und in einer
scharfen Kurve ein bißdien den Kopf am Armaturenbrett gestoßen. Sonst aber
hatte ich die Fahrt gut überstanden. Wenn ich dasselbe später auch von der
bevorstehenden neuen Begegnung mit dem hauseigenen Pudel behaupten konnte,
wollte ich getrost und ohne Furcht den kommenden Ereignissen entgegensehen.

Im Wespennest
     
    Anja
ließ das Kofferungetüm im Wagen, wohl in der Hoffnung, es würde ihr jemand beim
Ausladen behilflich sein. Daß dies ein vergeblicher Wunsch war, konnte sie zu
diesem Zeitpunkt wirklich noch nicht ahnen, ebensowenig, welch herrlichen
Empfang man uns bereiten würde.
    Man sollte eigentlich immer seiner
ersten Eingebung folgen. Es ist total verkehrt, wenn man erst hin und dann her
überlegt und mit Hilfe des Verstandes schließlich doch zu einem falschen
Entschluß kommt. Diese Erklärung klingt ein wenig unverständlich, wenn man die
Ereignisse nicht kennt, die diesen langen Warteminuten vor dem Gartentörchen
der Frau Lucas folgten, aber Sie werden schon noch verstehen, was ich meine.
Wenn es nämlich nach mir gegangen wäre, hätten wir uns gleich wieder auf den
Heimweg gemacht, als sich auf unser Klingeln hin das Gartentor nicht öffnete.
    Dreimal hatte es Anja schon
versucht, und das bewies doch überzeugend unseren guten Willen. Es hätte uns
niemand verübeln können, wenn wir daraufhin dieser vornehmen Gegend mitsamt
ihren Pudeln und Gärtnern den Rücken gekehrt hätten. Aber nein, Anja klingelte
wieder und wieder, als hätte sie keine Brotkrume im Hause und wäre darauf
angewiesen, sich bei dieser Goldammer ein bißchen Kleingeld zu verdienen. Meine
Reißerei an der Leine nützte nicht das geringste. Zu allem Unglück mißverstand
mich Anja auch noch gründlich. Sie hielt mein Bestreben, mich der unerwarteten
Situation anzupassen und die logischen Konsequenzen daraus zu ziehen,
tatsächlich für Angst und sprach beruhigend auf mich ein:
    »Ihr kennt euch doch jetzt schon, er
wird dir bestimmt nichts mehr tun.«
    Es war mir ausgesprochen unangenehm,
in einen solchen Verdacht zu geraten. Aber eines weiß ich gewiß: Wäre mir Anja
in jener Minute der Erleuchtung gefolgt, wäre uns vieles erspart geblieben, was
wir später ausbaden mußten. So aber hatte unser Warten den zweifelhaften
Erfolg, daß man uns nach Ewigkeiten schließlich doch einließ.
     
    Die
Haustür wurde nur einen Spalt breit geöffnet, und erst als wir uns
hindurchgedrückt hatten, entdeckten wir Frau Lucas hinter der Tür, die jedem
anderen Menschen ähnlich sah, nur nicht der eleganten Person von gestern.
Goldfingers Sendbote hatte sein Gesicht so total verändert, daß ich sie fast
nicht erkannt hätte, wäre nicht ein schwacher Hauch von Chanel Nr. 5 um sie
gewesen.
    Wenn Sie mich fragen: Ein bißchen
vergammelt sah sie aus. Der Kamm war offenbar nur oberflächlich durch ihre
Haare gefahren. Nicht eine Spur der gestern so strahlenden Farbsymphonie lag
mehr auf Augen, Wangen und Mund. Ganz ohne alles und nur so im Morgenrock, den
sie fast verschämt vorne zusammenhielt, sah sie beinahe normal aus, wenn auch
ein bißchen nackt.
    Anja konnte ihr Erstaunen über
diesen unverhofften Anblick weniger gut verbergen als ich und starrte die
Gestalt in der Tür entgeistert an. Als sie sich schließlich gefaßt hatte, sagte
sie: »Guten Morgen, gnädige Frau«, wobei sich ihr Mund ein wenig schräg nach
links unten verzog.
    »Machen Sie die Tür zu, und kommen
Sie endlich ’rein.« herrschte Frau Lucas uns wenig höflich an, mit einem
Gesicht, wie es Menschen machen, die sich darüber ärgern, daß man sie zu früh
aus dem Bett geholt hat. Sie ging voran in die Halle. Ihr Mantel flatterte um
ihre unsichtbaren Beine, weil sie so große Schritte machte.
    Als ich die Halle nun zum zweitenmal
betrat, dachte ich an ganz andere Dinge als gestern. Eine etwas stickige Kühle
empfing uns auch heute, aber der Unterschied zur Außentemperatur war noch nicht
sehr groß. Nein, was meine Gedanken in eine andere Richtung drängte, war diese verschwenderische
Fülle von Licht. Gest. a waren nur die Gemälde beleuchtet gewesen, heute
dagegen brannten außer dem riesigen Lüster auch noch alle die schnörkeligen
Wandlämpchen und sogar eine Stehlampe, und das, obwohl es schon

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