Hurra, die Lage wird ernst
Kleidern und sonstigen Krimskrams
im ganzen Zimmer verteilt aufgestapelt. Hurtig war bald alles eingepackt. Noch
ehe ich mich ausgiebig geredet hatte und dem neuen, so ereignisvollen Tag mutig
ins düstere Auge sehen konnte, war alles im Bauch des braunen Lederungetüms
verschwunden.
Dann erst machte sich Anja zurecht,
zog ein nettes Kleidchen an, nahm vorsichtshalber ein Jäckchen über den Arm und
vergaß auch nicht die Bemalung. Zum Schluß kam der Clou des Morgens: Mein Fell
wurde auf Hochglanz gebürstet. Wie andere Hunde darüber denken, weiß ich nicht;
mir tut es gut, wenn die harten Borsten durch die Haare und über die Haut
fegen.
Das waren die umfangreichen
Vorbereitungen. Wir waren aber noch lange nicht auf der Fahrt in unser
gemeinsames Abenteuer, denn tatsächlich sah es zunächst so aus, als kriegte
Anja den Koffer nicht in den Wagen. Es war ihr schon schwer genug gefallen, ihn
unter Stöhnen und Schwitzen all die Treppen hinunterzuschleifen, und ich
bedauerte sehr, daß ich ihr nicht dabei helfen konnte. Nach einer
fürchterlichen Würgerei hatte sie ihn endlich auf dem Rücksitz. Was sie mit dem
ganzen Zeug vorhatte, konnte ich mir mit meinem bescheidenen Hundeverstand
wirklich nicht vorstellen. Was sie da eingepackt hatte, reichte mindestens für
ein halbes Jahr Aufenthalt in fremder Umgebung. Auch das schien eine spezielle
Marotte von Frauen zu sein. Ich hatte es oft genug von Herrn Jordan gehört,
wenn er, selbst vor der kleinsten Reise, seine liebe Gattin schalt: »Daß du
immer so viel Plunder mitschleppen mußt.«
Nun, mir konnte es gleich sein, ich
überwachte lediglich die Unterbringung meines Hundekorbes und achtete peinlich
genau darauf, daß er nur ja nicht beschädigt wurde. Erst als er mitsamt meinen
Utensilien oben auf dem Koffer thronte, war ich zufrieden. Ehe wir endgültig
abfuhren, liefen wir gemeinsam noch schnell zum nächsten Briefkasten. Der
inhaltsschwere
Brief mußte auf den Weg gebracht
werden. Das war wichtig, denn so wußte Herr Debray wenigstens, wo er uns suchen
mußte, wenn uns etwas zustieß oder wenn wir auf unerklärliche Weise
verlorengingen.
Wenn nur dieser Regen nicht gewesen
wäre. Regen ist für einen kleinen Hund eine unangenehme Angelegenheit.
Abgesehen von dem nassen Bauch, den man sich bei jedem Schritt auf der Straße
holt, darf man auch nicht einmal hintreten, wohin man will. Nicht auf den
Teppich, nicht auf den Boden, nicht auf die Treppe. Bei jedem Schritt wird man
zurückgepfiffen. Wie konnte ich Anja nur beibringen, daß es das praktischste
war, wenn sie ein altes Handtuch ständig im Briefkasten liegenließ. Fräulein
Adelheid war auf diese praktische Idee gekommen. Gleich unten im Hausflur
rubbelte sie mich nach jedem Regen-Spaziergang ab, danach konnte wirklich
nichts mehr passieren, und alle Wege standen mir wieder offen.
Aber im Augenblick war das
verhältnismäßig unwichtig. Anja hatte wahrscheinlich bedeutende Dinge zu
bedenken. Sie legte einfach eine alte Decke auf den Vordersitz, und dann hopp
hinauf. Es war mir eine Ehre, daß ich, wenn auch nur aus verpackungstechnischen
Gründen, den Platz neben ihr einnehmen durfte. Zwar ist ein Hund auf diesem
Platz immer eine Gefahrenquelle für den Fahrer, aber ich wußte ja Bescheid. Bei
meinen Fahrten mit der Straßenbahn hatte ich schließlich gelernt, wie sich ein
anständiger Mitfahrer zu benehmen hat. Immer wenn ich mit Fräulein Adelheid zum
Spätdienst fuhr, hatte ich Gelegenheit, die drohend formulierte Mahnung zu
lesen: Es ist verboten, mit dem Fahrer zu sprechen. Damals ging es mich ja
nichts an, aber jetzt. Ich kann mir gut denken, daß so ein liebebedürftiger
Hund seinen autofahrenden Herrn arg in Bedrängnis bringen kann, wenn er
unvernünftig, wie er als normaler Hund nun einmal zu sein pflegt, während der
Fahrt anfängt Späßchen zu machen.
Nun, bei mir sind solche
Befürchtungen völlig unbegründet, ich mache darin wirklich eine rühmliche
Ausnahme. Andererseits hegte ich die Hoffnung, daß auch Anja die ungewohnte
Sitzordnung bedenken und weniger temperamentvoll als sonst auf Bremse und
Gaspedal treten möge. Die bereits durch Herrn
Jordan erlittenen Beulen genügten
mir vollauf, und ich hatte keinerlei Verlangen nach Erneuerung derselben.
Auf der Fahrt erlaubte ich mir ein
kurzes Nickerchen. Wer wußte an diesem trüben Morgen schon, was der Tag für uns
noch bereithielt. Darum war es am besten, Kräfte zu sammeln, damit sie in der
Stunde der Gefahr verfügbar waren. Viel
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