Hurra, die Lage wird ernst
brauchen, he? Hast du vielleicht geglaubt, wir hätten dich nur dazu
eingeladen, uns nachher beim Geldzählen zu helfen? Es gehört nun mal zu deiner
Aufgabe, daß du die nötigen Geräte beschaffst; wie, ist mir völlig egal,
basta.«
»Dafür können sie mich jetzt auch
zuerst identifizieren. Das habt ihr euch schön ausgedacht, wirklich, gar nicht
schlecht.«
»Wer?«
»Na, die Leute, bei denen ich den
Brenner besorgt habe, oder glaubst du vielleicht, die hätten mir den
Schlossermeister abgenommen, den ich ihnen vorzuspielen versucht habe?«
Frau Lucas’ plötzliches Erscheinen
in der Tür unterbrach das Wortgefecht.
»Sorgt ihr schon wieder mal dafür,
daß die ganze Nachbarschaft erfährt, was hier los ist?« fauchte sie, streifte
ihre Kostümjacke ab und warf sie über die freie Sessellehne.
»Zeig mal her das Ding«, sagte Eddie
und schob seinen Zahnstocher wie einen Bleistift hinters Ohr. Bully griff sich
erneut das mächtige Ding und wuchtete es keuchend auf den Tisch.
»Bist du verrückt, nimm sofort den
Apparat vom Tisch«, forderte Frau Lucas, aber Eddie beruhigte sie:
»Nun laß mal, bald kannst du dir
soviel neue Tische kaufen wie du willst, da wirst du dich doch jetzt nicht über
einen lächerlichen Kratzer aufregen.«
Jetzt wußte ich endlich auch wie ein
Schneidbrenner aussah, für meine Begriffe wie ein Monstrum. Ob Anja hörte, was
sich hier drinnen abspielte?
Jo wischte sich zuerst mit dem
Handrücken seinen fettig glänzenden Mund ab und befingerte dann fachmännisch
die ungewöhnliche Tischdekoration. Eddie schob anerkennend den Unterkiefer vor.
»Na also«, lobte er, »ist doch
ausgezeichnet. Ist das Ding auch in Ordnung?«
»Klar«, beteuerte Bully, »hab’s
selbst ausprobiert. Neu ist es allerdings nicht. In ein Geschäft hab’ ich mich
nicht ’reingetraut, kannst du dir ja denken. Sämtliche Anzeigen in allen
möglichen Zeitungen bin ich durchgegangen, hab’ alle Adressen abgeklappert, bis
ich den hier schließlich in einer kleinen Werkstatt fand.«
»Sag’ dem Mädchen, sie soll abräumen
und dann verschwinden. Ich will nicht, daß sie plötzlich hier hereinplatzt«,
forderte Eddie mit einem entsprechenden Kopfnicken von Jo, schnappte sich den
Apparat und versteckte ihn hinter einem Sessel.
»Ich sag’s ihr schon selber, mit dem
Mädchen habt ihr nichts zu tun, verstanden?« sagte Frau Lucas und stelzte in
die Küche.
»Gehen Sie jetzt in Ihr Zimmer, sie
können mir später das Essen wärmen, ich sage Ihnen dann Bescheid«, hörte ich
sie sagen. Folgsam räumte Anja den Tisch auf, stellte das gebrauchte Geschirr
ineinander, verstaute alles auf einem Tablett und trug es in die Küche. Dann
band sie sich ihre Schürze ab und forderte mich mit einer Handbewegung auf,
mitzugehen.
Das Kästchen lag ganz bestimmt noch
im Abfalleimer, denn auch die Schnur schlängelte sich über den Boden, und der
Stab verbarg sich immer noch hinter einem der vier Schrankbeine. Davon
überzeugte ich mich noch, ehe ich mit Anja ging. Einen Augenblick lang freute
ich mich darauf, Herrn Debrays Antwort, nun aber endlich vollständig, oben
abzuhören, bis mir einfiel, daß das leider nicht möglich sein würde. Mit einem
Kästchen, das im Abfalleimer liegt, kann man schließlich keine Berichte abhören.
Jetzt schien Anja von einer
seltsamen Unruhe erfaßt. Sie setzte sich nicht, sie legte sich nicht, ja, sie
blieb nicht einmal stehen. Dauernd ging sie durchs Zimmer, auf und ab und auf
und ab. Sie verschränkte ihre Finger und drehte die Hände dann, bis sie
knackten. Wieder nagten ihre Zähne an der Unterlippe, was ein sicheres Zeichen
für ihre innere Erregung zu sein schien, eine Angewohnheit, an der ich später
noch oft erkennen konnte, was die Stunde tatsächlich geschlagen hatte.
Natürlich war sie darum besorgt, daß niemand die Schnur und den Stab entdeckte,
keiner ihre Absichten erriet.
Es war wie eine Erlösung, als Frau
Lucas endlich von unten herauf nach Anja rief. Beide stürmten wir die Treppe
hinunter, denn an ihrem stets etwas herrischen Ton war nicht festzustellen, ob
sie dort unten in der Zwischenzeit etwas gemerkt hatten oder nicht. Ich achtete
kaum mehr auf Anja, sondern lief weit voraus, die Lage zu erkunden.
Alles war noch an seinem Platz. Die
Männer dagegen waren verschwunden, alle drei, ebenso der Schneidbrenner. Frau
Lucas ließ sich aufgewärmten Gulasch und aufgewärmtes Möhrengemüse servieren,
aß beides mit Appetit, und erst als auch sie sich zurückgezogen
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