Hurra, die Lage wird ernst
verschwinden,
schnellstens, denn bei dem Tempo, das er plötzlich entwickelte, würde es keinen
Atemzug lang mehr dauern, bis er mein Fell zwischen seinen Fingern hatte. Also
hinunter und hinter den Papierkorb, der in der gegenüberliegenden Ecke stand.
Mein Schwanz hatte bereits das zweifelhafte Vergnügen, die Bekanntschaft von
Bullys gierigen Fingern zu machen, als ich mich vom Sofa absetzte, aber er
konnte sich ihnen zum Glück noch einmal entwinden. Schon keuchte Bully wie eine
Lokomotive vor der Elektrifizierung, dennoch war es besser, nicht auf seine
Ermüdung zu bauen. Einen Gegner unterschätzen heißt, ihm selbst den Weg zum
Siege ebnen.
Nur für die Zeit, die man braucht,
ein- bis zweimal Luft zu schnappen, fand ich hinter der braunen Tonne Schutz,
dann ging die wilde Jagd weiter.
Ein heimlicher Beobachter unserer
gegensätzlichen Bemühungen hätte sich, dessen bin ich sicher, köstlich
amüsiert, so komisch müssen wir ausgesehen haben. Ich, der kleine Hund, die
ganze Zeit rennend, springend, flüchtend, und der massige, weit überlegene
Verfolger, stolpernd und wütend und dennoch bis zu diesem Augenblick
erfolgreich gefoppt. Bis jetzt, ja, aber wie lange würde es mir noch gelingen?
Er gab einfach keine Ruhe und war mir schon wieder nahe.
Diese Hetzjagd erschien mir, als
zöge sie sich über Stunden hin. Selbst nun auch schon keuchend, fand ich
schließlich die letzte Zuflucht unter den verstaubten Spiralen des Sofas. Jetzt
gab es nur noch zwei Möglichkeiten. Entweder ich konnte mich hier, in der
hintersten Ecke, dicht an die Wand gepreßt, so lange halten, bis Hilfe nahte,
oder ich war endgültig verloren.
Ich setzte alles auf diese eine,
allerletzte Karte. Wohl war ich eingekeilt, hinter mir stoppte die Wand einen
weiteren Rückzug, und über mir, meinem Körper so nah, daß ich mich kaum noch
bewegen konnte, piekste mich das drahtige Gerippe der Couch. Aber wie sollte
Bully an mich herankommen? Falls er Wert darauf legte, mich zu vernichten,
genügte es für ihn, sich mit seinen schätzungsweise hundertachtzig Pfunden auf
die Sitzgelegenheit über meinem Haupte plumpsen zu lassen. Daß mein Feind ein
anderes Ziel verfolgte und es mit völlig anderen Mitteln zu erreichen
trachtete, sollte ich schon bald merken.
Da lag ich also, alle viere von mir
gestreckt, auf dem Bauch, und beäugte aufmerksam den Raum vor dem Sofa.
Allzuviel konnte ich aus dieser Perspektive nicht sehen. Immerhin, wo Bullys
Quadratfüße standen oder gingen, konnte ich beobachten, und das war für mich
schon eine große Hilfe. Offenbar überlegte er, wie er mich hier herausholen
konnte, und offenbar überlegte er nicht einmal schlecht. Zu meiner großen
Überraschung ließ er sich plötzlich auf die Knie nieder, stützte sich mit
beiden Händen auf und glotzte zu mir her, wahrscheinlich um meinen genauen
Standort (oder sagt man in diesem Falle Liegeort) zu erkunden. Erst dann langte
er mit einem Arm nach mir. Zu kurz, viel zu kurz, das hätte ich ihm vorher
sagen können. Hätte ich mich hierher zurückgezogen, wenn es für ihn so einfach
gewesen wäre, mich zu kriegen? Nein, um das zu erreichen mußte er sich schon
flach auf den Boden legen, sich sozusagen auf meine allerunterste Ebene
begeben.
Und was soll ich Ihnen sagen: Er tat
es. Damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet, und trotz meiner jetzt
durchaus berechtigten Not, fand ich die Situation ausgesprochen lächerlich. Man
muß sich das einmal vorstellen. Dieses Elefantenbaby platt mit dem Bauch auf
dem Parkett, den tomatenroten Kopf halb verrenkt, auf daß er mich besser sehen
konnte.
Da lagen wir nun und starrten uns
gegenseitig an, der eine ebenso entschlossen, den Gegner einzufangen, wie der
andere, ihm zu entfliehen. Um es kurz zu machen, es half mir kein Zappeln und
kein Rumoren, kein Stöhnen, kein Beißen. Als seine Hände erst einmal wie zwei
Schaufelbagger nach mir griffen, war es endgültig vorbei.
Ich hatte verloren. Roh zerrte er
mich unter dem Sofa hervor, packte mich am Genick, als sei ich ein erschossener
Hase, rappelte sich mühsam hoch, hielt mich um Armesbreite von sich ab und
grunzte:
»Dafür sollst du mir büßen, das
verspreche ich dir.«
Gefangen
Der
Plan war vergessen, er lag unter dem Sofa. Ich hatte ihn im Augenblick meiner
Ergreifung fahrenlassen, aber Bully kümmerte sich überhaupt nicht darum, er sah
sich nicht einmal danach um. Er hatte mich zu packen gekriegt, und das allein
schien ihn vorläufig zu beschäftigen.
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