Hurra, die Lage wird ernst

Offensichtlich hatte er nur den einen
dringenden Wunsch, mich meiner gerechten Strafe zuzuführen.
    Wie leblos baumelte ich an seiner
Hand und konnte nichts um mich herum erkennen, weil sich durch den
unverschämten Griff die Haut um meine Augen derart spannte, daß ich statt
meiner Umgebung nur noch Sterne sah. Darum blieben mir auch die folgenden
Minuten nur undeutlich im Gedächtnis. Ich spürte lediglich, wie Bully schnellen
Schrittes, und ohne die geringste Rücksicht darauf zu nehmen, daß mein Körper
bei jedem Schritt die Wand streifte, um verschiedene Ecken kurvte. Eine Tür
knallte zu, dann roch ich Luft, die mich wieder hätte beleben können, wäre
nicht auch meine Kehle wie zugeschnürt gewesen. Quietschend öffnete sich dann,
nach endlos langem, unwürdigem Transport, eine Holztür und ich flog in hohem
Bogen auf einen Stapel stinkender Säcke.
    »So, hier kannst du von mir aus
kläffen oder jaulen oder verrecken, ganz wie du willst. Hören tut dich hier
keiner und finden wird dich ebensowenig jemand, wenn ich nicht selbst so dumm
bin und dein Versteck verrate. Und das werde ich ganz gewiß nicht tun, du — du —
Köter.« Damit klappte auch diese Tür zu und ich war gefangen, festgesetzt,
gekidnappt oder wie immer man ein solches Verbrechen an einem Lebewesen nennen
will.
    Wenn ich diesem Wüstling glauben
konnte, blieb mir also noch genügend Zeit, meine Lage zu bedenken und die
genauen Umstände zu untersuchen. Im Augenblick jedenfalls war ich nicht in der
Lage, auch nur einen halbwegs vernünftigen Gedanken zu fassen. Ich war
erschlagen, matt und völlig apathisch. Erst einmal meinen armen, geschändeten
Körper zur Ruhe kommen lassen und den überstrapazierten Geist ein Weilchen
ausruhen, das war der einzige Wunsch, der mich jetzt beseelte, alles andere
würde sich schon finden, und wenn nicht, war es auch gut, es war mir egal.
Alles war mir gleichgültig, meine Zukunft, alle dummen Pläne, Anja, ich selbst,
die ganze unbegreifliche Welt. Ich gab mich geschlagen, mit Herz und Verstand,
und hockte auf meinen Säcken wie das berühmte Häufchen Elend, das ich schon so
oft absichtlich und voller Unvernunft den Menschen vorgegaukelt hatte. Nur,
diesmal war ich es wirklich.
    Selbst nach einer langen Zeit ist es
nicht einfach, sich solcher Minuten zu erinnern, ohne daß man nachträglich von
Schwermut befallen wird. Ich weiß heute nicht mehr genau, bei welcher
Gelegenheit, in welcher Minute sich das Blättchen wendete. Ich weiß nur noch,
daß all diese trüben Gedanken urplötzlich wie weggefegt waren. Vielleicht hatte
ich Anja rufen hören, vielleicht bellte aber auch ein Hund irgendwo, oder es
gackerte eine Henne. Ich vernahm irgendeinen Laut, der mich an Leben erinnerte,
jedenfalls fiel es mir unvermutet wie Schuppen von den Augen. Mich ergeben,
vollkommen und ohne erneut nach einem Ausweg zu suchen? So konnte, so durfte
ein Hund meiner Rasse nicht reagieren. Nicht ich, Schuftel, der Vielgeliebte,
Vielbewunderte. Wem konnte ich schon von meinen Tagen berichten, wenn ich sie
nicht zumindest überlebte? Niemand würde die Möglichkeit erhalten, meinen Mut
zu bewundern und mir gleichzeitig das Fell zu streicheln in ehrfurchtsvoller
Ergriffenheit. Worum wollte ich mich da selbst betrügen? Nein, ich wollte nicht
aufgeben, und wenn meine Lage noch so verteufelt schwierig war, nie und nimmer!
    Nur keine Müdigkeit vorschützen,
ermunterte ich mich selbst, erhob mich schließlich von meinem wenig
komfortablen Lager und fing langsam und bedächtig an, mein Gefängnis zu
erforschen. Stockdunkel war es inzwischen geworden, ich wußte nicht einmal, ob
der Raum überhaupt ein Fenster hatte.
    Es rasselte und klapperte tüchtig,
als ich bei meiner Durchsuchung gegen einen Stapel von Büchsen oder ähnlich
blechernem Zeug stieß. Zum Glück waren die Dinger leicht, die da auf mich
herunterkegelten, so daß ich mich nicht verletzte. Trotzdem war es unangenehm,
von jetzt an bei jedem Schritt damit rechnen zu müssen, daß da etwas im Wege
lag, worüber man rutschen und kullern konnte. Der Raum hatte Holzwände und war
nicht besonders groß, denn jeweils nach wenigen Schritten hatte ich bereits die
gegenüberliegende Wand erreicht. Je intensiver ich mir von hier drinnen
vorzustellen versuchte, wie das Verlies von außen aussehen mochte, um so mehr
kam ich zu der Überzeugung, daß ich in dem kleinen Gartenhaus eingesperrt saß,
das ich mir am Nachmittag mit besonderem Interesse betrachtet hatte. Wenn
diese, meine