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Hurra, die Lage wird ernst

Hurra, die Lage wird ernst

Titel: Hurra, die Lage wird ernst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Bell
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Annahme, richtig war, konnte ich Bully nur zustimmen. Hier konnte
ich ruhig toben, wenn mir danach sein würde, hier würde mich wirklich so
schnell niemand hören, denn es lag weit draußen, am äußersten Zipfel des
Gartens, weit weg von Haus und Straße, einsam versteckt hinter stachligen
Sträuchern. Es hatte zwar nicht sehr massiv ausgesehen, aber baufällig war es
keineswegs.
    Arme Anja, hier würdest du mich
nicht finden. Was mochte sie jetzt wohl machen? Ruhig vor der Flimmerkiste saß
sie gewiß nicht, das wußte ich. Hatte sie sich nicht eindringlich gefragt, ob
sie mir diesen schweren Gang überhaupt Zutrauen konnte, war sie nicht besorgt
darum gewesen, daß mir etwas passieren könnte? Sie hatte sich auf meine
Intelligenz verlassen, und es stimmte mich traurig, daß ich sie nun enttäuscht
hatte und ihr solches Kopfzerbrechen bereitete. Hoffentlich beging sie nur ja
keine Dummheit, indem sie sich anmerken ließ, was sie bereits erfahren hatte.
    Es nützte nichts, darüber
nachzugrübeln, was jetzt sein könnte, wie das alles noch ausgehen mochte. Ich
war schon zufrieden, daß ich mich nach dem Schreck erst einmal beruhigt hatte
und überhaupt nachdenken konnte. Vielleicht kam mir da von ganz allein eine
gute Idee, wie ich mich selbst befreien konnte.
     
    »Hilf
dir selbst, dann hilft dir Gott — selbst in meiner Trostlosigkeit vergaß ich Großmutter
Rosenstocks Sinnsprüche nicht, und ich nahm mir vor, nach diesem Prinzip zu
handeln. Ach,
    Oma Rosenstock! Ich seufzte
ausgiebig und aus tiefstem Herzen, denn es hörte mich ja niemand. Waren das Zeiten, herrliche Zeiten! Ein bißchen unruhig wegen der Kinder, aber nie war
ich in eine auch nur ähnliche Situation wie die geraten, in der ich jetzt bis
zum Halse steckte. Papa und Mama Rosenstock waren ein wundervolles Ehepaar,
lieb zu ihren Kindern und verständnisvoll der alten Frau und meiner Wenigkeit
gegenüber. Nie hatte es Streit gegeben in diesem Hause, und ich konnte beim
besten Willen plötzlich nicht mehr begreifen, warum ich mich aus diesem
sicheren Hort überhaupt entfernt hatte. Wie glücklich war ich damals gewesen,
dem traurigen Zimmer der Ida Leitwein entronnen zu sein, und statt dessen in
ein Haus voller Leben und Liebe zu kommen.
    Die kleine Sabine hatte mich damals
entdeckt, als ich pitschnaß aus einem städtischen Wassergraben stieg, in dem
ich ein herrlich erfrischendes Bad genommen hatte. Sie kniete mit ihren kurzen
Kinderbeinchen neben mir nieder und ließ sich nicht einmal abschrecken, als ich
mir prustend und wenig rücksichtsvoll das nach Algen duftende Naß aus dem Fell
schüttelte. Es schien ihr nicht das geringste auszumachen, daß ich sie naß
spritzte, sie nahm mich liebevoll in ihre kleinen, zärtlichen Ärmchen und
versuchte, mich zu wärmen, wahrscheinlich weil sie annahm, ich sei
hineingefallen in den Graben.
    Zwar hatten mich bis dahin schon
manche freundlichen Arme umfangen, aber die von Sabine waren die zärtlichsten.
Was gab es für mich da lange zu überlegen, als sie mich mit ihrem dünnen
Kinderstimmchen hoffnungsvoll bat, mitzukommen. Ich war unabhängig, ein freier
Hund, eigener Herr meiner Entschlüsse.
    Das Wort, daß Kinder das Abbild ihrer
Eltern sind, hier traf es zu. Mutter Rosenstocks Herz quoll über vor Zuneigung,
als ich, brav hinterhertrottend, in Sabinchens Gefolge das kleine saubere Haus
betrat. Auch Harald war nicht übel. Jeden Morgen verließ er das Haus mit einer
Riementasche auf dem Rücken und kehrte stets mit einer ganzen Horde
ausgelassener Buben wieder heim. Sicher, es kam schon mal vor, daß er mich am
Schwanz zog oder leicht vor die Schnauze puffte, aber dafür konnte ich herrlich
mit ihm herumrasen und spielen.
    Ach ja, es war schon schön bei
Rosenstocks. Wahrscheinlich war es wieder einmal die Wanderlust, die mich eines
Tages packte, vielleicht lag es aber auch daran, daß ich zum erstenmal, seit
ich diese Familie durch meine Anwesenheit um einen Esser bereicherte, Prügel beziehen
mußte. Aber Schwamm drüber, denn ich hatte sie verdient, außerdem gab es gerade
im Zusammenleben mit den fünf Rosenstocks genügend Ursache, an schöne
Erlebnisse zu denken.
    Während ich so mit meinen Gedanken
beschäftigt war, hatte ich mich wieder auf den Säckestapel zurückgezogen.
Eigentlich lag es sich doch ganz bequem hier, und da ich mir irgendwie die Zeit
vertreiben mußte, träumte ich weiter von verflossenen Tagen.
    Angefangen hatte mein Dasein als
Familienhund bei Adrian Rommel. Er holte mich

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