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Hurra, die Lage wird ernst

Hurra, die Lage wird ernst

Titel: Hurra, die Lage wird ernst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Bell
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ehrlich
verdiente Belohnung einheimsen. Der Rücktransport des von Anja fotografierten
Dokumentes verlief glatt und ohne Komplikationen — bis ich wieder vor dem
Schränkchen stand. Dort angekommen, mußte ich mir allerdings überlegen, was mit
dem Papier jetzt geschehen sollte. So weit hatte ich vorhin gar nicht gedacht.
Sollte ich es etwa auf dem gleichen gefährlichen Wege wieder an den Platz
befördern, auf dem ich es gefunden hatte? Nein, war ich dumm? Einmal hatte ich
diese Expedition dort hinauf unternommen, weil ich ein Ziel hatte, das ich erreichen
mußte, noch einmal würde ich es nicht machen, wozu? Aber wohin mit dem Ding,
dessen Besitz mir langsam ungemütlich wurde? Einfach auf die Erde schmeißen, so
vors Schränkchen, als hätte es ein Windstoß von der Fensterbank
heruntergeblasen, das war eine Möglichkeit.
    Wie schwer war es doch, jetzt das
Richtige zu tun. Siebenundachtzig Gründe dafür stritten sich mit
dreiundzwanzig, die dagegen sprachen, und den Plan hatte ich immer noch in der
Schnauze.
    Die Entscheidung wurde mir
abgenommen, allerdings auf eine Art, die mich keineswegs erleichterte. Es
näherte sich keine hilfreiche Hand, kein freundlicher Helfer, weder eine
besorgte Anja noch sonst ein verständnisvolles Wesen — sondern Bully.
     
    Nie,
wirklich niemals in meinem Leben werde ich diesen Augenblick vergessen, als ich
dastand, mit meinen Gedanken rang, den Kopf erhoben, den Schwanz gesenkt, und
ihn wie das leibhaftige Verhängnis auf mich zustapfen hörte. Nicht eine Sekunde
lang zweifelte ich daran, daß es Bully war, obwohl es ja noch mehr Leute in diesem
Hause gab und ich mir als Optimist eigentlich hätte sagen müssen, daß es ja
nicht immer gleich das schlimmste aller möglichen Ereignisse sein mußte, das da
über mich hereinbrach. Nein, ich ahnte, daß es Bully war, ich wußte es. Ich
konnte zwar nur seine Schritte hören, die von dem weichen Läufer fast
verschluckt wurden, aber die Art, wie sich diese unsichtbaren Füße bewegten,
sagte mir alles. Drei lange schleifende Schritte, vier kurze, kleine Pause,
dann wieder zwei kurze Schritte und fünf lange.
    Ich war unfähig, mich zu bewegen.
Ich stand noch immer so da wie in der Minute, als ich ihn zuerst gehört hatte.
Auch fühlte ich nichts, kein Bedürfnis nach Flucht, keine Reue, keine Angst,
nichts.
    Die Tür stand halb offen. Er stieß
genau gegen die Kante.
    »Verdammt!« Eine Hand klatschte
gegen die linke Wand, rutschte tiefer, höher und wieder hinunter.
    »Licht, wieso geht das Licht nicht
an, verdammt noch mal!« keuchte eine Stimme, während mein erstarrtes Blut
langsam wieder anfing, durch die Adern zu prickeln und ich dankbar war für jede
Sekunde, in der die Hand vergeblich nach dem Schalter tastete. Vielleicht hätte
ich jetzt noch entwischen können, auch wenn die Gestalt breit und massig in der
Tür stand. Zwischen den Beinen hindurch verlief der Weg in die Freiheit. Den
Plan einfach fallen lassen und abhau’n, schoß es mir durch den Kopf, aber es
war schon zu spät.
    Als die Deckenbeleuchtung aufflammte
wußte ich, daß meine Stunde geschlagen hatte. Vielleicht nicht die letzte, aber
eine schlimme, darüber konnte kein Zweifel bestehen. Dabei sah er mich im
ersten Moment gar nicht. Es war inzwischen ziemlich dunkel geworden, und das
plötzlich aufflammende Licht blendete ihn so, daß er instinktiv die Hände vors
Gesicht hob, sich auf den nächsten Stuhl fallen ließ und sich die Augen rieb.
Damit hatte ich nicht gerechnet, und so verpaßte ich in stummem Staunen die
zweite Chance, zu entkommen.
    Als er die Hände wieder
herunterfallen ließ, passierte es. Die Starre war völlig aus meinem Körper
gewichen und hatte einer handfesten Angst Platz gemacht. Den Plan noch immer
sinnlos im Maul haltend, wich ich zurück, langsam, jeden meiner vier Füße
einzeln setzend, die Augen auf sein Gesicht gerichtet, um genau den Moment
abzupassen, in dem er mich entdecken würde.
    Fast hätte ich ihn verpaßt, denn nur
seine Augen wurden eng. Sie zogen sich zu schmalen Schlitzen zusammen, die
seinem Gesicht etwas Gemeines, Niederträchtiges gaben. Er traute, so schien es
mir, seinen eigenen Augen kaum, denn er schüttelte kurz den Kopf, als habe er
ein Gespenst gesehen. Sonst rührte er sich aber nicht, sondern stierte erneut
zu mir herüber, mit einem Gesicht, das ein hämisches Grinsen jetzt in die
Breite zog. Er schob seinen Kopf weit vor und griff mit der rechten Hand, ohne
hinzusehen, hinter sich, packte die Tür und

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