Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hurra wir kapitulieren!

Hurra wir kapitulieren!

Titel: Hurra wir kapitulieren! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk M. Broder
Vom Netzwerk:
zu reden, die sich die Befreiung ganz Palästinas von den Zionisten zum Ziel gesetzt hat. Man kann dies als Appeasement verstehen, aber auch als Vorsorge für den Ernstfall. Derweil kündigte der Beirat der Deutsch-Arabischen Gesellschaft an, er wolle »weitere Mitglieder der Hamas-Regierung nach Deutschland einladen«. Vermutlich so lange, bis Israel nicht mehr in Palästina steht.
    Wer keine Gelegenheit hatte, mit dem Hamas-Mann zu reden, musste sich damit zufrieden geben, über die Hamas zu reden. Die grüne Europa-Abgeordnete Angelika Beer, von der man lange nichts mehr gehört hatte, meldete sich aus Brüssel zu Wort, um »vor Sanktionen gegen Palästina« zu warnen. Man müsse »mit einer demokratisch gewählten Regierung reden« und brauche »ein wenig Geduld, um mit der Hamas erst mal reden zu können und zu wollen«, um die Palästinenser nicht »in die Hände des Iran« zu treiben, denn »das sind eben die Hände, die wir nicht wollen«. In einem anderen Interview erklärte sie, sie habe zwar »kein Patentrezept, wie wir reagieren sollen«, aber »die Streichung der Mittel wäre genau der falsche Weg, würde zu weiteren Eskalationen beitragen«. Auch zum Karikaturenstreit hatte Frau Beer eine Meinung, die sie ein wenig umständlich artikulierte: »Ich bin der Meinung, dass wir die Pressefreiheit in Europa nicht einschränken sollten. Aber ich glaube, dass es zeigt, dass die Bereitschaft in einer multikulturellen Welt, auch bei Journalisten, zu überprüfen, was Karikatur bedeutet und was sie provoziert, denn Karikaturen sind dazu da, um zu provozieren, wo die Grenzen sind, die sind überschritten worden.«
    Auch Frau Beer überschritt in ihren Interviews alle Grenzen des Satzbaus und der Logik, dennoch war die Botschaft klar: Nur nicht provozieren, weiter zahlen, um Eskalationen zu vermeiden. Wenn das nicht Appease-ment ist, dann ist es Selbstentleibung im Zustand der Vollnüchternheit. Mit derselben Überlegung könnte ein Drogendealer seine Geschäfte mit einer Gang von Minderjährigen rechtfertigen: Es ist besser, sie bekommen das Zeug von mir als von einem, der die Kids nur ausnutzen will.
    Es dauerte nicht mehr lange bis sich auch Altkanzler Schröder für Gespräche mit der Hamas aussprach. Anlässlich seiner Ernennung zum Ehrenvorsitzenden des Nah- und Mittelostvereins in Berlin, der für die deutsche Wirtschaft im Nahen und Mittleren Osten tätig ist, sagte Schröder, man müsse »mit der demokratisch gewählten Hamas-Regierung« in den Palästinenser-Gebieten verhandeln. Bei dieser Gelegenheit kritisierte Schröder auch die Politik der israelischen Regierung. Deren Pläne für eine »einseitige Grenzziehung« seien »nicht der richtige Weg« zu einer Lösung des Konflikts mit den Palästinensern.
    Nun ist der Vorschlag, man müsse mit der Hamas reden, nicht per se abwegig oder antiisraelisch, es sei denn, er wird so begründet, wie es der Beirat der DIG getan hat; was Schröders Statement so pikant macht, ist der Hinweis darauf, dass die Hamas »demokratisch gewählt« wurde.
    Schröders tiefer Griff in die Trickkiste der Geschäftsordnung des Bundestages, mit dem er seine Abwahl durchsetzen wollte, um sich anschließend wieder wählen zu lassen, war ebenfalls »demokratisch«. Was die Hamas von der Demokratie hält, bewies sie gleich mit ihrer ersten Initiative, als ihre frisch gewählten Abgeordneten das Verfassungsgericht ad acta legten, das Präsident Abbas etablieren wollte. Extrem demokratisch war auch die Ablehnung eines Volksentscheids über eine »Zwei-Staaten-Lösung«, den Abbas durchführen wollte. Demokratisch ist, was der Hamas nützt. Insofern haben Schröder und die Hamas ähnliche Vorstellungen von Demokratie - nur dass Schröder, sogar als Kanzler, nicht die Macht hatte, sie durchzusetzen.
    Worum es Schröder bei seiner Ernennung zum Ehrenvorsitzenden des Nah- und Mittelostvereins wirklich ging, war etwas anderes. Er war nicht nur dafür, mit der Hamas zu reden, er war auch dagegen, Sanktionen gegen das ebenfalls demokratisch gewählte Regime in Teheran zu erwägen. In einem solchen Fall wären »unabsehbare Folgen für die Weltwirtschaft zu erwarten«. Schröder verwies auf Schätzungen von Experten, dass der Ölpreis auf über 100 Dollar pro Barrel steigen könnte.
    Womit wir bei der Frage aller Fragen angelangt wären: Wie hoch muss der Ölpreis steigen, bis die Existenz Israels zur Disposition steht? Was würde passieren, wenn die Arabische Liga oder die OPEC eines Tages sagt:

Weitere Kostenlose Bücher