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Hurra wir kapitulieren!

Hurra wir kapitulieren!

Titel: Hurra wir kapitulieren! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk M. Broder
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über das Ziel hinausschießen, dass man sie verstehen und sich in ihre Situation versetzen muss, dieser Unsinn wurde inzwischen so oft und so laut in den Wald hineingerufen, dass er ganz von allein aus dem Gebüsch zurückschallt. »Ich wurde als Jugendlicher über Jahre sehr gedemütigt. Ich weiß, worüber ich rede«, schreibt ein Leser des Berliner »Tagesspiegel« zu einem Bericht über die Aktivitäten von Al Qaida, »wenn es diese Möglichkeit damals gegeben hätte, ich hätte Bomben geschmissen, auch bei der Möglichkeit, sich selbst dabei zu töten ... Will sagen: Solange die islamische, die arabische Welt so unendlich gedemütigt wird, wird es den so genannten Terrorismus geben ... Das soll keine Rechtfertigung sein, eher ein Versuch zu verstehen.« Dass die arabische Welt eine Einheit ist, die in toto gedemütigt wird, gilt inzwischen als so selbstverständlich, dass sich niemand die Mühe macht zu erklären, worin eigentlich die Demütigung liegt. Dieses allumfassende Verstehenwollen muss etwas mit dem Sex-Appeal zu tun haben, der von Gewalt und Gewalttäter ausgeht und dem sogar die Opfer und deren Angehörige erliegen.
    Nachdem der 26 -jährige Amerikaner Nicholas Berg im Frühjahr 2004 im Irak von der Terrorgruppe Sarkawis entführt und ermordet wurde, machte sein Vater, Michael Berg, George Bush und Donald Rumsfeld für den Tod seines Sohnes verantwortlich. »Nicholas starb für die Sünden von George Bush und Donald Rumsfeld«, sagte er dem Sender ABC, »die Al-Qaida-Leute sind wahrscheinlich so schlecht wie sie«, doch habe die US-Regierung seinen Sohn auf dem Gewissen. Zuvor hatte er schon gegenüber CNN gesagt: »Die (Leute von) Al Qaida wussten nicht, was sie taten. Sie töten ihren besten Freund ... Er war dort, um den Leuten zu helfen, nicht um irgendje-manden zu verletzen.«
    Warum Nicholas Berg in den Irak gereist war, unter welchen Umständen er entführt und ermordet wurde, konnte nicht geklärt werden. Auch über die Zeit vor seinem Verschwinden gab es widersprüchliche Informationen. Fest stand nur, dass er enthauptet und die »Hinrichtung« auf Video aufgezeichnet wurde. Und es war wahrscheinlich Sarkawi persönlich, der das Urteil gefällt und vollstreckt hatte. Dennoch richtete sich der Zorn von Vater Berg nicht gegen Sarkawi, sondern gegen Bush und Rumsfeld.
    Als zwei Jahre später, im Juni 2006 , Sarkawi bei einem gezielten Angriff der Amerikaner getötet wurde, schwankten die Reaktionen zwischen Freude und Erleichterung.
    »Der Mann war ein Tier und er hat das bekommen, was er verdient hat. Möge er in der Hölle schmoren«, sagte der Brite Paul Bigley, dessen Bruder Ken 2004 von Sarka-wis Gruppe verschleppt und enthauptet wurde; »Sarkawis Tod ist nicht das Ende des Terrorismus in der Welt. Er ist aber ein wichtiger Schritt, die Welt von der Bedrohung durch den Terrorismus zu befreien«, erklärte Hamid Karzai, der Präsident Afghanistans. »Dies ist ein Mann mit jeder Menge Blut an den Händen. Ich übertreibe wohl nicht, wenn ich sage, dass er uns nicht fehlen wird«, stellte Nato-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer fest.
    Sogar der nette Kofi Annan war verhalten erfreut: »Es lässt aufatmen, dass ein so gefährlicher Mann nicht mehr unter uns ist. Diese Person ist für furchtbare Verbrechen verantwortlich gewesen.«
    Nur einer freute sich nicht, Michael Berg, Vater von Nicholas Berg. »Ich denke, die Nachricht von dem Verlust eines jeden menschlichen Wesens ist eine Tragödie. Ich denke, Sarkawis Tod ist eine doppelte Tragödie. Sein Tod wird zu einer neuen Welle der Rache anspornen«, sagte er im CNN.
    Das Wort von der »Tragödie« war noch nicht verhallt, da konnte man bei »Focus online« nachlesen, was am Tod des Terroristen tragisch war. Das Interview mit Michael Berg verdient es, in voller Länge für alle Zeit festgehalten zu werden:
    Focus Online: Was war ihr erster Gedanke, als Sie erfuhren, dass der Mörder Ihres Sohnes bei einem amerikanischen Bombenangriff getötet worden ist?
    Berg: Ein Fernsehjournalist des Senders ABC weckte mich um 4 . 37 Uhr mit der Nachricht auf. Ich dachte: >Ihr Schweine, jetzt habt ihr noch einen Menschen getötet.< Jeder wollte, dass ich mich über den Tod Sarkawis freue, doch ich war sehr traurig darüber, wie ich es über den Tod eines jeden Menschen bin. Seine Familie und seine Freunde werden ebenso trauern, wie wir um Nick getrauert haben.
    Focus Online: Wirklich? Keine Genugtuung darüber, dass der Mörder Ihres Sohnes tot

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