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Hurra, wir leben noch

Hurra, wir leben noch

Titel: Hurra, wir leben noch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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ist nur eine ganze Welt mit
beiden
Hälften, also mit dem Für
und
dem Wider. Und ich glaube eben, daß nur das
Ganze
recht hat!«
    »Aber du mußt doch eine eigene Ansicht haben!« rief Jurij.
    »Warum?« fragte Jakob erstaunt.
    »Jeder anständige Mensch hat eine ganz bestimmte eigene Ansicht!«
    »Da muß ich dir aber widersprechen, Jurij. Die meisten Menschen haben überhaupt keine Ansichten – und das sind weiß Gott nicht die schlechtesten.«
    »Heilige Schwarze Muttergottes von Kasan, aber du mußt doch an irgend etwas glauben, Jakob!«
    »Warum muß ich?«
    »Weil kein Mensch leben kann, ohne an etwas zu glauben.«
    »Na, ich weiß nicht«, sagte Jakob, »ich leb’ ganz gut so.«
    »Verflucht, irgendeine Meinung von dieser Welt mußt du doch haben, Jakob!«
    »Meinung … Also wenn du unbedingt darauf bestehst, bitte. Natürlich bin ich der Meinung, daß der Sozialismus das Beste für die ganze Welt wäre …«
    »Na endlich!«
    »Nein, nicht na endlich! Denn den Sozialismus, den ich mir vorstelle, den gibt es nicht, und den wird es auch sehr wahrscheinlich nie geben«, sagte Jakob. »Schade. Denn es wäre schön, wenn es ihn geben würde.«
    »Dann sag mir doch wenigstens, was dann so schön wäre, sag mir wenigstens, wie dein Sozialismus ausschaut, den es sehr wahrscheinlich nie geben wird!«
    »Jurij, mein Alter«, sagte Jakob. »Da haben sie einmal einen Juden ärgern wollen und ihn gefragt – du weißt, am Sabbath dürfen die Juden kein Geld und kein Gold anrühren –, also sie haben ihn gefragt: ›Stell dir vor, es ist Schabbes, und du gehst auf der Straße, und da siehst du ein Goldstück. Was würdest du machen?‹«
    »Ja?« Jurij wurde sehr aufmerksam. Vom Hafen herauf dröhnte das Kreischen riesiger Kräne. »Und was hat er gesagt?«
    »Er hat gesagt: ›Es
ist
nicht Schabbes, und es
gibt
kein Goldstück, und also antworte ich nicht auf diese Frage.‹ Siehst du, Jurij, dasselbe antworte ich dir, wenn du mich fragst, was unter dem Sozialismus, den es vielleicht nie geben wird, so schön wäre. Ich kann dir nicht anders antworten, denn ich kann mich in keine Situation hineindenken, die es nicht gibt.« Jurij Blaschenko seufzte. »Seufze nicht, Towarischtsch, sondern sag mir endlich, was ihr diesmal braucht«, sagte Jakob sanft lächelnd.
    Blaschenko seufzte noch einmal.
    »Sprühgeräte«, sagte er dann. »Aus Plastik«, fügte er hinzu. »Und du hast doch Plastikfabriken, Jakob, mein Freund.« Ein Frachter fuhr eben in den Hafen ein.
    »Was für Sprühgeräte?« fragte Jakob.
    »Du weißt, daß wir in den letzten Jahren erhebliche Mißernten gehabt haben, nicht wahr?«
    »Ja. Schlechtes Wetter, was?«
    »Nur sehr bedingt schlechtes Wetter. Die Hauptursache war Unkraut!«
    »Na, aber gegen Unkraut gibt es doch herrliche chemische Mittel, Jurij.«
    »Die haben wir ja auch entwickelt, Jakob.« Jurij seufzte nun abgrundtief.
    »Herrliche chemische Mittel! Das Beste, was du dir vorstellen kannst!«
    »Aber?«
    »Aber … Jakob, mein Freund, du weißt, daß bei uns alles genau geplant wird …«
    »Ganz genau, Jurij.«
    »Ganz genau eben nicht, Jakob. Leider. Eine andere Planungskommission hat vergessen, daß man die Chemikalien versprühen muß, und deshalb sind keine Anlagen gebaut worden, die solche Sprühgeräte herstellen, und jetzt liegen die wunderbaren Chemikalien da, und das Unkraut wächst weiter und weiter, es ist eine Katastrophe! Wir brauchen ein Werk, das solche Sprüher herstellt! Und Rohrleitungen dazu, viele Tausende Kilometer Rohrleitungen! Damit wir die Chemikalien auf weit entfernte Felder leiten können, über viele Tausende von Kilometern. Und wir werden viele Tausende von Plastik-Sprühern brauchen, die auf den Feldern aufgestellt werden! Das wird ein ungeheuer großes Werk nötig machen! Denn wir müssen die Chemikalien auch aus Flugzeugen absprühen! Und aus Plastik-Tanks auf LKW s, die durch die Felder rollen! Und noch auf viele andere Arten! Wenn wir mit dem Unkraut nicht fertig werden, verhungern unsere Menschen! Da drüben, auf dem Hügel hinter dem Universitätsviertel, da haben wir Platz, genügend Platz! Dort soll das Werk entstehen! Dort soll die Zentrale sein, verstehst du, mit Rohrleitungen überall hier im Gebiet hin, mit Pumpstationen hier auf der Strecke. Und mit großen Verlade-Anlagen zum Verschicken überall hin in die Sowjetunion. Wir brauchen also das größte Werk dieser Art, das je in Rußland gebaut worden ist! Und in kürzester Zeit! Die Lage ist

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