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Hurra, wir leben noch

Hurra, wir leben noch

Titel: Hurra, wir leben noch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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mal!«
    »Ja, ich weiß, da muß man eine höllisch präzise Aussprache haben.
Pickgenauigkeit!
Und zwar ergeben sich die Probleme aus dem nur schwach entwickelten Bewegungsapparat der Hühneraugen!«
    »Aha.«
    »Das Huhn richtet immer abwechselnd ein Auge auf das entdeckte Korn und ermittelt so die Entfernung. Dann kommt es zu einer Reflexbewegung, die die Wissenschaftler ›Pickschlag‹ nennen. Der ›Pickschlag‹ erfolgt aus einer Entfernung von ein bis drei Zentimetern. Kannst dich drauf verlassen. Ich vergesse nie eine Zahl.«
    »Weiß ich.«
    »Na ja, und die Pickgenauigkeit bei den Hennen liegt zwischen achtundvierzig und zweiundneunzig Prozent. Die Hähne müssen ihre Hälse bis zum Sattwerden viel öfter senken. Bei ihnen beträgt die Treffsicherheit nur vierzehn bis zweiundfünfzig Prozent.«

11
    Ein neuer Tag hatte längst begonnen, eine schwache Herbstsonne war aufgegangen (um 7 Uhr 19), als die große Operation beendet war, als vierzigtausend Küken – alle waren sie mittlerweile ausgekrochen – zum erstenmal Speis und Trank erhalten hatten. Die Brutmaschinen strahlten behagliche Wärme auf die lieben Kleinen, der Generator am Bach lief mit voller Kraft. Auf die Bauernhöfe von Theresienkron verteilt, schliefen vierzigtausend Küken sowie neunhundertsiebenundachtzig von insgesamt neunhundertneunundachtzig Einwohnern des winzigen Ortes. Die zwei, die noch nicht schliefen, waren Jakob und sein Hase. Sie kamen als letzte in ihre Wohnung im Haus der guten Frau Luise Pröschl, denn sie hatten bis zum letzten Augenblick darüber gewacht, daß keine verräterische Spur auf den plötzlichen Reichtum der armen Leute von Theresienkron hinweisen konnte.
    Um 7 Uhr 49 betraten sie ihr Heim.
    »Das hast du großartig gemacht, Hase«, sagte Jakob lobend. »Und ich danke dir.«
    Julia fiel ihm leidenschaftlich um den Hals und rief: »Und du hast es auch großartig gemacht, Bärchen, und ich liebe dich so!«
    »Mmmm«, machte er animiert. Julia hatte den Namen Hase erhalten, weil sie sich so weich anfühlte und alles anknabberte. (Im Augenblick Jakobs Unterlippe. Das klingt harmlos, aber sie hatte ja erst begonnen.) »Mmmmm-mmmm«, machte Jakob wieder. Er hatte den Namen Bär nicht nur erhalten, weil er bei bestimmten Tätigkeiten brummte, sondern auch noch auf Grund anderer Aktivitäten, welche die schöne Leserin, der kluge Leser sich selber ausmalen mögen.
    »Weißt du, Bärchen«, sagte der Hase, »ich denke, daß wir jetzt, zur Feier des Tages, ein schönes, warmes Bad nehmen und dann … und nachher können wir bis zum Nachmittag schlafen, und wenn wir aufgewacht sind, zu unseren vierzigtausend Kleinen gehen. Was hältst du von meiner Idee?«
    »Mmmmm!!!« machte Jakob. Dann fiel ihm etwas ein. »Wir haben aber doch kein warmes Wasser!«
    Der Hase senkte züchtig den Kopf und bekannte: »Ich habe die liebe Frau Pröschl gebeten, daß sie uns in der Badestube einen großen Bottich mit heißem Wasser füllt. Sie hat’s getan, bevor sie schlafen gegangen ist, ich habe nachgesehen. Bärchen, Bärchen, wohin rennst du? … Warte doch auf mich … Ich will doch mit dir zusammen … Gott, hat der Bär es eilig!«

12
    »Don’t know why, there’s no sun in the sky! Stormy weather! Since my man and I ain’t together, it keeps raining all the time …«, ertönte die aufregend heisere Stimme der berühmten schwarzhäutigen amerikanischen Blues-Sängerin Lena Horn. Es stimmte übrigens gar nicht! Im Gegenteil, da war eine Sonne am Himmel, keine Rede von stürmischem Wetter, keine Rede davon, daß es unentwegt regnete, und schon gar keine Rede davon, daß Julia und ihr Mann nicht zusammen waren. Mehr zusammen als der Hase und der Bär konnten zwei Menschen auf dem Bett mit den rot und weiß karierten Decken überhaupt nicht zusammensein! ›Stormy weather‹ war nun aber einmal des Hasen und des Bären Lieblingslied, und sie spielten es immer, wenn sie so sehr zusammen waren, wie ein Mann mit einer Frau nur zusammen sein kann. (Vorausgesetzt, eine Steckdose für den uralten Plattenspieler befand sich in der Nähe, natürlich. Wenn sie im Wald und auf der Heide da suchten ihre Freude, mußten sie ohne das Lied auskommen. Deshalb blieben sie so gern zu Hause.)
    »…stormy weather! Just can’t keep my thoughts together …«
    Mit jeder Sekunde fiel es auch Jakob und Julia schwerer, ihre Gedanken zusammenzuhalten.
    »Bärchen, mein geliebtes Bärchen …« Der Hase strich zärtlich über des Bären

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