Hurra, wir leben noch
Plomben und versiegelt den Waggon. Dann kommt eine Rangierlok und schleppt den Waggon raus auf den Güterbahnhof.«
»Ist der bewacht?«
»Ja. Aber was glaubst du, was da trotzdem geklaut wird? Denn die Waggons – wir entladen ja nicht nur Präser! –, die bleiben bis morgen früh dort stehen. Dann wird eine Zuggarnitur zusammengestellt. Du mußt mir deine Adresse geben, Jakob. Einmal werde ich ja hier rauskommen, und dann such’ ich dich vielleicht.«
»Am besten, du wendest dich an die Adresse von Heinrich Himmler in Waldtrudering bei München«, sagte Jakob.
52
Das größte Puff in Antwerpen hieß ›Palais des Nations‹. Die Besitzerin, die eine kleine Brasil rauchte, sagte im Empfangssalon ihres Etablissements in der Beeldhouverstraat, die nahe dem Museum der Schönen Künste an dem Leopold De Waels Plaats liegt: »Also gut, ich übernehme die Pro-Kits.« Sie sprach Deutsch, was natürlich alles ungemein erleichterte.
»Das freut mich, Madame Willemsen.«
Die Dame Willemsen, eine stattliche Person mit vielen Ringen und Ketten und einem gepuderten Teiggesicht, dessen Züge freilich auch stahlhart werden konnten, sagte: »In schweren Zeiten wie diesen ist es gut, einen kleinen Vorrat anzulegen … Und sagen Sie besser Mevrouw zu mir. Das höre ich lieber.«
»Das ist ein lobenswerter Vorsatz, Mevrouw«, sagte Jakob und sah freundlich die braun-, schwarz-, gelb-, rosa- und weißhäutigen Mädchen an, die nackt oder halbnackt im Salon saßen, strickten, Kreuzworträtsel lösten oder an ihre Kinder schrieben. Es war noch zu früh fürs Geschäft. »Ich möchte aber Dollars.«
»Dollars?«
»Wenn’s recht ist, Mevrouw.«
»Da muß ich erst mit Mijnheer Huysman telefonieren.«
»Wer ist Mijnheer Huysman?«
»Mein Steuerberater. Ich habe soviel natürlich nicht in Devisen.«
»Hoffentlich hat Mijnheer Huysman soviel, Mevrouw. Mir liegen drei Angebote von wallonischen Herren vor.«
»Sie werden doch nicht …« Der Busen von Mevrouw Willemsen wogte heftig, sie griff sich an die Kehle. »Die Präservative müssen in flämischer Hand bleiben!«
»Wie Sie meinen, Mevrouw. Aber wenn Mijnheer Huysman, natürlich auch ein Flame, nehme ich an« (Gott segne Österreich), »nicht genügend Dollars hat …«
»Geduld, Mijnheer, ein bißchen Geduld. Dann wird er sich eben mit seinem Kompagnon Mijnheer Vermeylen besprechen. Gemeinsam haben sie genügend Dollars.«
»Wer ist Mijnheer Vermeylen, Mevrouw?«
»Ein reicher Fabrikant hier in Antwerpen, Mijnheer.«
»Aha.«
Mevrouw erhob sich. »Sie wollen die Dollars sofort nach Übernahme durch meine Freunde?«
»Ihre Freunde, Mevrouw, wer ist das?«
»Belgische Polizisten. Die bewachen den Frachtbahnhof, auf dem der Waggon stehen wird.«
»Aha.«
»Es sind natürlich auch amerikanische Posten da. Die werde ich abzulenken wissen, seien Sie beruhigt.«
»Da bin ich ganz beruhigt, Mevrouw.«
»Abtransportieren müssen wir die Dinger in Salatkörben.«
»Salatkörben, eh, hrm?«
»Im Französischen werden die ›Grünen Minnas‹ charmanterweise ›paniers de salade‹ genannt!«
»Wirklich charmant …!«
»Ich werde jetzt schnell telefonieren und alles vorbereiten. Auch meine Knaben muß ich verständigen.«
»Ihre Knaben?«
»Süße Kinderchen. Die helfen mir immer in solchen Fällen. Es sind auch Mädchen darunter. Die Eltern werden von mir natürlich entschädigt.«
»Natürlich.«
»Alle Soldaten – und ganz besonders die Amerikaner – sind doch so kinderliebend, nicht wahr?«
»So ist es, Mevrouw.«
»Ich habe Sie bereits gefragt: Sie benötigen die Dollars sofort, nachdem die Kinderchen und die Polizisten den Waggon geleert haben?«
»Wenn ich darum bitten dürfte, Mevrouw. Sagen wir bis spätestens zwei Uhr nachts. Dann muß ich nämlich abreisen.«
»Es wird klappen, Mijnheer. Auf meine Polizisten ist Verlaß. Die einzigen, auf die man sich in dieser Gangsterstadt noch verlassen kann. Während ich mich umhöre, wollen Sie nicht vielleicht eine kleine Distraktion? … Nein, nein, die Freude müssen Sie mir machen! Wer soll’s denn sein? Was hätten Sie denn gerne? Europäisch, afrikanisch …
»Chinesisch, wenn es nicht zu unverschämt ist, Mevrouw. Chinesisch habe ich noch nie.«
»Aber gerne. Yün-Sin, komm her!« Ein zierliches Geschöpf trat heran. »Yün-Sin heißt Pfirsichblüte, Monsieur. Pfirsichblüte, der Herr will dir die Ehre erweisen. Zeige ihm deine Spezialität, die ›Schlittenfahrt‹!«
»Gewiß,
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