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Hustvedt, Siri

Hustvedt, Siri

Titel: Hustvedt, Siri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Sommer ohne Maenner
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ermöglichter
brieflicher Dialog, der am nächsten Tag zwischen B. I. und M. F. nach den Szenarien
A, B oder D usw. stattfand.
     
    B. I. Mia,
spielt es wirklich eine Rolle, was passiert ist? Reicht es nicht, dass es vorbei
ist und ich Dich sehen will?
     
    M. E. Wenn
die Geschichte umgekehrt wäre, und ich wäre Du, spielte es für Dich etwa keine Rolle?
Es geht um den Zustand Deines Herzens, mein alter Freund. Herz eingebeult von Abweisung á la francaise, unglücklich
und überraschend hilflos allein, beschließt Ehemann, es könnte besser sein, Versöhnungsverhandlungen
mit der alten Getreuen aufzunehmen, oder: Seinen Irrtum einsehend, durchdringt Gatte
seinen Wahn (hahaha) und hat eine Offenbarung: Abgenutzte alte Ehefrau sieht von
Uptown aus besser aus.
     
    B. I. Können
wir auf die bittere Ironie verzichten?
     
    M. E. Wie um
Himmels willen glaubst Du, hätte ich es ohne sie geschafft? Ich wäre verrückt geblieben.
     
    B. I. Sie hat
es beendet. Aber die Sache war schon am Ende.
     
    M. E Ich war
am Ende, und Du hast mich ein einziges Mal im Krankenhaus besucht.
     
    B. I. Sie haben
mich nicht zu Dir gelassen. Ich habe es versucht, aber sie haben mich abgewiesen.
     
    M. E Was willst
Du jetzt von mir?
     
    B. I. Hoffnung.
     
    Auf «Hoffnung»
konnte ich erst am nächsten Tag antworten. Die Wende, von der ich geträumt hatte,
war eingetroffen, und ich fühlte mich hart wie Stein. Meine Antwort an den großen
B. erreichte ihn am Morgen. «Mach mir den Hof.»
    Und er, hochromantisch,
schrieb zurück: «Okay.»
    Mr. Niemand
hatte sich seit einiger Zeit nicht gemeldet, und ich machte mir allmählich Sorgen.
Wir hatten Bälle über das Thema Spiel hin- und hergelupft, also mit dem Spielen
gespielt. Zuerst warf er mir einen derridanesken Fastball zu, das endlose Logos-Spiel,
immer im Kreis herum, ohne Ende und ohne Lösung, und es ist alles im Text, das Geschehenmachen
und das Ungeschehenmachen, dann warf ich ihm Freuds «Erinnern, Wiederholen und
Durcharbeiten» zurück, worin der hochverehrte Doktor uns sagt, dass die Übertragung,
der unheimliche Ort zwischen Analytiker und Patient, gleichsam ein Spielplatz ist,
ein Terrain irgendwo zwischen Krankheit und wirklichem Leben, wo man der andere
werden kann, und darauf schleuderte Niemand ein schönes Zitat vom großen Montaigne
persönlich zurück: «Wenn jemand mir sagt, es sei eine Entwürdigung der Musen, sie
nur als Spielzeug und Zeitvertreib zu benutzen, so kennt er nicht, wie ich, den
Wert von Vergnügen, Spiel und Zeitvertreib. Ich würde beinahe sagen, jeder andere
Zweck ist lächerlich.» Ich hatte mit Winnicott und Vygotskij zurückgefeuert, der
Letztere seit 1934 tot, aber eine brandneue Liebe von mir, und danach verstummte
mein sprühendes Phantom.
    Ich befand,
es sei zu viel Zeit vergangen: «Alles in Ordnung? Ich denke an Sie. Mia.»
     
    Der Lesezirkel
ist groß. Er war wie die sprichwörtlichen Pilze über die ganze Wohnanlage gesprossen
- ein gänzlich von Frauen beherrschtes kulturelles Forum. Tatsächlich wird das
Lesen von Belletristik heutzutage oft als Frauenkram angesehen. Viele Frauen lesen
Romane. Die meisten Männer nicht. Frauen lesen Romane von Frauen und Männern. Die
meisten Männer nicht. Schlägt ein Mann einen Roman auf, hat er gern einen männlichen
Namen auf dem Cover, das ist irgendwie beruhigend. Man weiß ja nie, was mit diesem
äußeren Genital passieren könnte, wenn man in eine imaginäre Welt eintaucht, die
von jemandem ausgeheckt wurde, bei dem sich die beweglichen Sachen innen befinden.
Zudem geben Männer gern mit ihrer Nichtbeachtung von Romanen an: «Ich lese keine
Romane, aber meine Frau.» Die zeitgenössische literarische Vorstellungswelt verströmt
anscheinend ein eindeutig weibliches Parfüm. Erinnern Sie sich an Sabbatini? Wir
Frauen haben eben ein flottes Mundwerk. Doch um ehrlich zu sein: Wir haben den Roman
seit seiner Geburt im späten 17. Jahrhundert begeistert verschlungen, und zu jener
Zeit strahlte das Lesen von Romanen ein Aroma des Geheimen aus. Der empfindliche
weibliche Geist konnte, wie Sie von den früheren Tiraden in diesem nämlichen Buch
erinnern werden, durch die Berührung mit Literatur leicht angekratzt werden, insbesondere
durch den Roman mit seinen Geschichten von Leidenschaft und Verrat, mit seinen
verrückten Mönchen und Freigeistern, seinen wogenden Busen und Mr. B.s, seinen Wüstlingen
und Verwüsteten. Als Zeitvertreib für junge Damen galt das Lesen von Romanen als
schlüpfrig. Die

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