Hutch 01 - Gottes Maschinen
»Hutch, das ist George Hackett. Unser Projektingenieur.«
Hackett mußte über zwei Meter groß sein. Er war mit einer Apparatur beschäftigt, wahrscheinlich einer Pumpe, und versuchte Hallo zu sagen, ohne in seiner Aufmerksamkeit nachzulassen. Es war schwierig, ihn in dem diffusen Licht deutlich zu erkennen, doch er klang nicht unfreundlich.
»Wo ist Ihr Partner?« fragte Richard.
Hackett zeigte auf Schläuche, die in einem Seitengang verschwanden. »Am anderen Ende.«
Richard wandte sich zu Hutch. »Wir sind jetzt genau über der Militärkapelle. Sie versuchen, die Kammern unten vom Schlick zu befreien.«
»Was ist darin?«
George antwortete für Richard: »Wir wissen es noch nicht. Wir wissen gar nichts, außer daß die Kammern sich an der Westgrenze des Schutzwalls befunden haben. Wahrscheinlich waren es Kasernen, aber es könnten genausogut Teile der ursprünglichen Kapelle sein.«
»Ich dachte, die hätten Sie schon längst gefunden?« erwiderte Hutch. »Dort, wo man die Tullfriese entdeckt hat, oder etwa nicht?«
»Das war erst ein Teil der Anlage«, sagte George. »Irgendwo muß noch mehr sein, und es besteht eine ziemlich gute Chance, daß wir hier darauf stoßen.«
Der Schlick im Tunnel reichte Hutch bis zu den Knöcheln.
Sie standen inmitten eines Haufens elektrischer Apparate, von Sammelkörben, Stangen, Hacken und Steinblöcken.
»Warum ist die Kapelle so wichtig? Außer der Möglichkeit, Proben der Casumel-Sprache zu finden?«
George sprach über einen privaten Kanal mit jemand anderem. Hutch nahm an, daß es sein Kollege am anderen Ende der Schläuche war. Offensichtlich zufrieden, wandte er sich wieder zu ihr um. Der Druck in den Schläuchen ließ nach, und schließlich hörten sie auf zu pulsieren. »Das hier war der Außenposten einer größeren Zivilisation, Hutch. Wir wissen nicht, welche Weltanschauung sie gehabt haben, was ihnen wichtig war oder was sie über uns gedacht hätten. Doch Kirchen und Tempel sind in der Regel die Orte, die uns das meiste über die höchsten Werte einer Kultur verraten.«
»Das kann nicht Ihr Ernst sein!« sagte Hutch.
»Ich meine das nicht wörtlich. Aber wenn Sie etwas darüber erfahren wollen, was einem Volk wichtig ist, dann lesen Sie in seiner Mythologie. Wie erklären sie die großen Fragen des Lebens?« Er grinste, als ihm bewußt wurde, daß er wie ein Lehrer sprach.
Hutch hatte das Gefühl, daß George ihr länger als nötig in die Augen blickte, aber sie war sich nicht sicher.
Richard meldete sich zu Wort: »Hutch, Henry ist noch weiter vorn, in einem der Vorräume, wo man die Tull-Serie gefunden hat. Möchten Sie sie sehen?«
»Ich denke, für heute reicht’s mir. Ich habe nicht mehr viel Zeit.«
»In Ordnung. Sie finden den Weg zurück?«
»Sicher.« Sie beobachtete, wie Richard an George vorbei in einen Tunnel glitt. Sekunden später bog er um eine Ecke und war verschwunden.
Hutch lauschte dem schwachen Zischen ihrer Luftflasche. »Wie geht es voran?« fragte sie George.
George lächelte sie an. »Nicht so gut.«
»Ich hatte erwartet, den größten Teil der Mannschaft hier unten anzutreffen. Wo sind die anderen alle?«
»Frank und Linda sind bei Henry. Der Rest ist in Seapoint. Es gibt nicht viel, das wir tun können, bis der Schlick draußen ist. Dann wird die große Jagd nach Casumel C beginnen, bis Maggie – Sie kennen Maggie bereits?«
»Nein.«
»Maggie ist unsere Exophilologin. Wir haben mehrere hundert Schriftproben von Casumel Linear C aus dieser Gegend, aber die meisten sind nur kurz. Fragmente, ein paar Worte. Sobald Maggie uns sagt, daß sie genug hat, um mit dem Entschlüsseln zu beginnen, brechen wir die Suche ab.« Er klang müde und erschöpft.
»Fehlt Ihnen was?«
»Nein, mir geht’s prima.« Er starrte auf die flexiblen blauschwarzen Schläuche, die in der Zwischenzeit zusammengesunken waren. Im Abstand von je einem Meter waren silberne Reflektionsstreifen aufgemalt.
George hatte im Augenblick scheinbar nichts anderes zu tun, als bei den Apparaten zu sitzen. »Ich sammle Daten von Tris Monitor«, erklärte er, als müsse er sich vor Hutch rechtfertigen. »Tri führt den Schlammsauger, und ich sitze hier für den Fall, daß der Tempel auf ihn fällt. Was übrigens leicht jederzeit passieren kann.« Er wandte ihr das Gesicht zu, und sie konnte ihn zum ersten Mal deutlich erkennen.
George hatte freundliche, warme Augen. Sie waren sehr dunkel und blickten ihr neckisch entgegen. Er war beträchtlich jünger,
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