Hutch 01 - Gottes Maschinen
wird eine Untersuchung in die Wege leiten, uns am Ende eine Kopie zustellen, Bedauern äußern … und das war’s dann.« Er zuckte die Schultern. »Vielleicht, wenn jemand dabei umgekommen wäre …«
Janet Allegri verspürte Befriedigung, daß Henry nicht aufgegeben hatte. Sie war froh, daß man zurück in den Unteren Tempel graben wollte, und gleichzeitig enttäuscht, daß sie unter den ersten sein sollte, die evakuiert wurden.
Trotzdem, sie beschwerte sich nicht. Sie marschierte in ihr Quartier, um zu packen. Vor drei Jahren, als sie hergekommen war, hatte sie nur wenige persönliche Besitztümer bei sich gehabt, aber es war ihr gelungen, einige Artefakte zur Seite zu schaffen. Sicher, das war nicht ganz legal. Es wurde erwartet, daß alles der Akademie übergeben wurde, was das Team hier fand. Doch die Akademie hatte bereits genug Fundstücke, um ein ganzes Kaufhaus damit zu füllen, und die anderen hatten ebenfalls alle ein oder zwei Andenken auf die Seite geschafft. Das war bei Archäologen schon beinahe Tradition.
Ihr Lieblingsstück war ein Sonnenmedaillon – so genannt wegen der Scheibe einer aufgehenden Sonne und der Inschrift: Lebe für das Licht! Sie mochte es, weil es so menschlich war. Außer dem Medaillon hatte Linda noch eine Urne aus der Späten Mesatischen Periode, deren Inschrift jedoch niemand entziffert hatte, sowie eine Münze mit dem Bild eines Quraquat auf der einen und einem Colin- Busch auf der anderen Seite. In einigen Jahren würden diese Erinnerungsstücke das Wertvollste sein, das Janet besaß. Und außerdem etwas, das sie an ihre beiden verlorenen Welten erinnerte: die der Quraquat – und die ihrer Jugend.
Sie wickelte die Artefakte vorsichtig in ein paar Kleider, nahm ihre Taschen aus dem Schrank und legte alles hinein.
Das Bettzeug würde zurückbleiben, ebenso wie die Handtücher.
Dann nahm sie die paar Bilder von den Wänden. Ein Foto von ihrem Bruder Joel und seiner Familie, an Weihnachten bei ihm zu Hause im Wohnzimmer geschossen, ein Foto von sechs Mitgliedern der Tempelexpedition am Strand, und eine Aufnahme des Zeta-Fragments (das Janet gefunden und Maggie die ersten Ansätze zum Entziffern von Casumel Linear C geliefert hatte). Janet hatte einen großen Teil ihres Erwachsenenlebens auf diesem Planeten verbracht. Sie hatte sich beruflich etabliert. Hatte einige Romanzen gehabt. Es tat weh, daran zu denken, daß dieser Ort bald unter Schlamm und Wasser begraben sein würde.
Schließlich schleifte sie ihre Taschen nach draußen in den Gang und stieß dabei fast mit Richard zusammen.
Er blickte sie verwirrt an, und sie erkannte, daß er vollkommen in Gedanken versunken gewesen sein mußte. Nachdem er seine Fassung zurückgewonnen hatte, fragte er: »Kann ich Ihnen behilflich sein?«
Janet hatte seit Richards Ankunft noch keine Gelegenheit gehabt, mehr als ein paar Worte mit ihm zu wechseln. Seine Berühmtheit ließ sie vor Ehrfurcht fast erstarren, und sie fühlte sich unsicher. »Äh, vielen Dank. Ja. Ich meine, bitte. Ja, bitte.«
Er betrachtete sie nachdenklich. »Ist Ihnen nicht gut?«
»Doch, doch. Äh … warum fragen Sie?«
»Sie wirken so blaß.« Er warf einen verständnisvollen Blick auf ihre Taschen. »Ach so. Ist schon in Ordnung. Sie müssen sich keine Gedanken machen.«
Zusammen trugen sie Janets Gepäck durch den Gemeinschaftsraum bis in die unterste Ebene und in den U-Boot-Hangar. Später würde Janet sich daran erinnern, daß sie während des kurzen Weges miteinander gesprochen hatten; aber sie würde nicht mehr wissen, was er zu ihr gesagt hatte. Nebensächlichkeiten, sicher. Kein Zweifel, genau die Art von stereotyper Unterhaltung, die Menschen beinahe zwangsläufig führen, wenn sie sich eben zum ersten Mal über den Weg laufen. Aber an eines würde sie sich ganz gewiß erinnern: Er war unglaublich nett gewesen.
Maggie Tufu stand im Ruf, die führende Exophilologin der Akademie zu sein. Sie besaß zwar eine hohe Meinung von sich selbst, aber sie wäre gerne tatsächlich so gut gewesen, wie die anderen von ihr glaubten. Ihre Bekanntheit stammte aus der Zeit auf Nok, wo sie alte und moderne Sprachen entschlüsselt hatte. Im Gegensatz zu den meisten anderen Feldarchäologen galt Maggie auch als eine ausgezeichnete Lehrerin. In der Universität von Pennsylvania war ihr Name Legende.
Sie hatte in allen Dingen, die in ihrem Leben von Bedeutung gewesen waren, Erfolg gehabt – mit zwei Ausnahmen: ihrer Ehe und ihrer Unfähigkeit, irgend
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