Hutch 02 - Die Sanduhr Gottes
blutete. Davon abgesehen schien ihm nicht viel passiert zu sein. Ein paar Beulen, weiter nichts.
Marcel meldete sich über den Commlink und stellte die gleichen Fragen wie der Reporter. »Heimchen«, erklärte Kellie außerhalb seines Blickfelds. »Wir melden uns in einer Minute.«
MacAllister schwebte auf einer sonderbaren Wolke aus Entsetzen und Heiterkeit. Bei Gott, das hat sich gut angefühlt. Im Herzen sind wir alle Barbaren, dachte er.
Hutch kehrte in das Lager zurück, beäugte ihn kurz und sah sich um. »Sind alle in Ordnung?«, fragte sie.
Nightingale signalisierte sein Wohlbefinden, während er den Lichtstrahl seiner Handlampe über die Bäume gleiten ließ, um sich zu vergewissern, dass sie wirklich weg waren. »Ich schätze, nun sind wir doch noch den Einheimischen begegnet.«
»Wie sieht es mit Ihnen aus, Mac?«
»Gesund und munter«, sagte MacAllister. »Ich glaube nicht, dass diese kleinen Mistviecher so schnell zurückkommen.«
»Wo ist Chiang?«, fragte Hutch.
MacAllister starrte einen der gefallenen Angreifer an. Er hatte eine kränkliche blasse Haut mit einem grünlichen Teint und einen haarigen, zerfurchten Kopf. Die Augen waren geöffnet, schienen aber im Tode erstarrt zu sein.
Stehend hätte das Wesen ihm gerade bis zu den Hüften gereicht. Als er die Kreatur mit dem Fuß anstieß, regte sie sich und gab einen Quäklaut von sich.
Gedämpft drang Kellies Stimme an sein Ohr. »Hier drüben«, sagte sie. »Ich habe ihn gefunden.«
Chiang lag regungslos am Boden. Blut ergoss sich aus einem halben Dutzend Wunden in seinen E-Suit.
»Schalten Sie das Feld ab«, sagte MacAllister.
»Nein!« Kellie hatte sich neben Chiang auf den Boden geworfen. Ihre Stimme klang gedrückt. »Das ist alles, was ihn zusammenhält.«
Hutch kniete nieder und ergriff sein Handgelenk. »Mac«, sagte sie. »Holen Sie das Medkit.«
MacAllister machte kehrt und eilte zu Hutchs Rucksack. »Kein Puls«, sagte Hutch.
»Er atmet nicht«, sagte Kellie mit belegter Stimme.
Widerstrebend schalteten sie das Feld aus, und Hutch versuchte, ihm Sauerstoff zu verabreichen.
Jemand musste Embrys Code gerufen haben, denn plötzlich war ihre Stimme zu hören. »Sie dürfen ihn nicht bewegen«, sagte sie.
Und Marcel: »Stellen Sie Wachen auf. Sie könnten zurückkommen.«
»Verstanden«, sagte Nightingale.
»Brennen Sie alles nieder, was sich bewegt«, rief ihm Kellie nach.
»Haben Sie das Medkit?«, fragte Embry.
»Mac holt es gerade.«
»Mac, beeilen Sie sich. Wie sieht die Blutung aus. Lassen Sie mich einen Blick darauf werfen.«
MacAllister kehrte mit dem Medkit zurück. Hutch nahm es ihm ab und bedeutete ihm, er möge Nightingale unterstützen. Kellie zog einige Druckverbände hervor und fing an, sie anzulegen. Mac blieb noch einen Moment stehen und starrte auf Chiang hinunter. Dann ging er weg.
Nightingale untersuchte einen toten Angreifer. MacAllister hoffte, dass das Biest, dem Chiang zum Opfer gefallen war, unter den Leichen war.
Gemeinsam drehten sie ihre Runden um das Lager. Der Exobiologe sah erschöpft aus. MacAllister fragte sich zum ersten Mal, ob er vor vielen Jahren vielleicht doch ungerecht mit Nightingale umgesprungen war. »Sie waren doch schon einmal hier, Randy, nicht wahr?«
»Ja.« Nightingale zog ein Gesicht, als hätte er gerade in eine verdorbene Frucht gebissen. »Das hat ein bisschen was von einem Déjà-vu-Erlebnis.« Er hielt inne und atmete tief durch. »Ich hasse diesen Ort.«
MacAllister nickte. »Es tut mir Leid«, sagte er, ohne recht zu wissen, was er eigentlich zum Ausdruck bringen wollte.
»Ja. Mir auch.« Nightingales Züge verhärteten sich, und er sah aus, als wollte er noch mehr sagen. Aber dann zuckte er nur mit den Schultern und wandte sich ab.
MacAllister lauschte den Gesprächen auf dem öffentlichen Kanal.
»Sie müssen ihn reanimieren.«
»Bin dabei.«
»Kellie, Sie müssen die Blutung stoppen. Ziehen Sie die Verbände strammer.«
»Es funktioniert nicht, Embry.«
»Versuchen Sie es weiter. Ist jetzt ein Puls da?«
»Eine Spur davon.«
»Geben Sie nicht auf, Kellie. Und legen Sie eine Decke oder irgendwas über ihn.«
MacAllister sah nach Osten in Richtung Deneb, als Chiang starb.
Sie begruben ihn am nächsten Morgen feierlich an der Stelle, an der er gefallen war. MacAllister, dessen Ruf ihm gewöhnlich den Luxus eigener Gefühle absprach, suchte sich einen Stein, brannte Chiangs Namen und Daten hinein und schrieb dazu: GESTORBEN BEI DER
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