Hutch 02 - Die Sanduhr Gottes
weniger ruckelig, als hätte sich die Maschinerie freigelaufen.
Sie wurden langsamer und wieder schneller, ehe der Fahrstuhl plötzlich anhielt.
Unter sich sahen sie ein Flusstal, so tief, dass der Anblick Kopfschmerzen bereitete, und Hutch stellte fest, dass sie sich an der Nordseite des Berges befanden, genau dort, wo die Oberfläche aussah, als wäre sie künstlich abgetragen worden.
»Was sollen wir jetzt machen?«, keuchte Nightingale. »Wir sitzen fest.«
Der Fahrstuhl erzitterte.
»Vermutlich ein Beben«, kommentierte Hutch.
»Genau das brauchen wir jetzt.« Nightingale starrte sie aus angstvollen Augen an. »Hutch, wir brauchen Hilfe!«
»Sie haben ein Talent zur Untertreibung, Randy.«
»Können Sie uns beschreiben«, fragte Kellie, »wo genau Sie sich befinden?«
Hutch verriet es ihr und fügte hinzu: »Ziemlich weit oben. Ich schätze, wir müssen von Luke zu Luke.«
»Okay. Rühren Sie sich nicht vom Fleck. Wir sind unterwegs.«
»Was soll das heißen, von Luke zu Luke?«, fragte Nightingale auf dem persönlichen Kanal. »Das bedeutet doch nicht, was ich fürchte, dass es bedeutet?«
»Soweit Sie es nicht vorziehen, da runterzuklettern.« Weiter oben sah sie das Gitterwerk aus Längsträgern, Querträgern und diagonalen Stützen, der Rahmen, in dem sich der Fahrstuhl bewegte. Die hintere Seite des Fahrstuhls war an der Felswand befestigt. Sie waren etwa fünfzig Meter in die Tiefe gefahren. Der Steilhang wies, soweit sie sehen konnte, ein paar Absätze und Vorsprünge auf, hier und da wuchsen sogar Bäume, aber das reichte unter keinen Umständen, um sicher wieder hinaufzuklettern.
»Können die uns hier wirklich rausholen?«, fragte Nightingale.
»Wird schon klappen.«
Ihre Worte trugen wenig dazu bei, seine Sorgen zu vertreiben. »Wie?«
»Sie holen uns einfach ab. Bleiben Sie sitzen, bis sie da sind.«
Er blickte nach unten, und sie sah, wie der spärliche Rest Farbe aus seinen Zügen verschwand. Plötzlich sackte der Fahrstuhl wieder ab, geringfügig, vermutlich nicht mehr als ein paar Zentimeter weit. »Wird besser sein, Abstand zu halten.«
»Und was sollen wir tun? Springen?«
»So was in der Art, Randy. Aber Sie werden gesichert sein, damit Sie nicht abstürzen können.«
Er schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, dass ich das schaffe, Hutch.«
»Natürlich schaffen Sie das. Außerdem können wir kaum hier bleiben.«
Sie sah ihm an, dass er sich ebenso beschämt wie verängstigt fühlte.
Wieder ging es abwärts, langsam und gleichmäßig. »Wir werden schon unten ankommen«, sagte er. »Wenn wir Geduld haben, geht vielleicht auch so alles gut.«
Sie antwortete nicht. Stattdessen setzte sie sich und wartete auf die Landefähre.
»Was hält den Fahrstuhl?«, fragte Marcel.
»Drahtseile, nehme ich an«, sagte Hutch, während das willkommene Dröhnen der Jets an ihr Ohr drang.
»Negativ«, sagte Kellie. »Wir sehen kein Seil.«
Marcel gab ein besorgtes Schnauben von sich. »Sind Sie sicher?«
»Yep. Kein Seil.«
»Dann«, folgerte Marcel, »muss das System anders funktionieren als die, die wir benutzen. Vielleicht brauchen sie keine Seile, weil sie auf einer Art Magnetschiene auf und ab gleiten.«
»Das glaube ich nicht«, widersprach Kellie. »Auf dem Dach gibt es eine Halterung für ein Seil.«
»Sicher?«, fragte Hutch.
»Da baumeln sogar ein paar Meter Seil herab.«
Kapitel XXXII
»Jeder beklagt sich über das Wetter, und wir verfügen inzwischen sogar über die Technologie, um es nach unserem Willen zu manipulieren. Aber wir tun es nicht. Denn es ist eine Tatsache, dass wir schlechtes Wetter brauchen. Ein Tag am Strand ist weitaus vergnüglicher, solange wir wissen, dass irgendwer irgendwo im Regen steht.«
Gregory MacAllister, Betrachtungen, aus: Gesammelte Essays
Stunden bis zum planetaren Ende (vermut.): 27.
Abel Kinder beobachtete die Zahlenkolonnen, die über die Schirme flackerten. Eine Hochdruckfront, die jede irdische Skala gesprengt hätte, bewegte sich auf den Nirwana-Ozean zu, wo sie mit dem extremen Tiefdruckgebiet entlang der Ostküste von Transitoria zusammentreffen musste. Tornados jagten landwärts. Orkane fegten über Gewässer hinweg, die viel zu kalt waren, um derartige Wetterphänomene unter normalen Umständen hervorzubringen.
Er drückte auf den Rufknopf für Marcel.
»Was gibt es, Abe?«, fragte der Captain.
»Mehr Schlechtwetterfronten. Wann sammeln wir sie ein?«
»In gut neunzehn Stunden.«
»Ich nehme an, der
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