Hutch 02 - Die Sanduhr Gottes
verband, spannte sich allmählich, bis er fürchtete, er könnte aus seinem Nest am Himmel gerissen werden. Wo war sie?
Du musst die Leine sichern.
Um das zu tun, musste er mit einer Hand loslassen. Unmöglich.
Er konzentrierte sich auf die Maschen, auf die glatte, polierte Oberfläche, auf die Art, wie eine Masche mit der anderen verknüpft war. Darauf, die Leine zu sichern, ehe Hutch aus der Luftschleuse sprang.
Auf alles, nur nicht auf das Nichts um ihn herum.
Mühsam löste er eine Hand aus den Maschen, holte die Leine ein, die von seiner Weste herabbaumelte und verhakte sie im Netz. Dann zog er an der Leine und fühlte, dass sie hielt.
Das Netz glitt aufwärts, schneller und schneller. Und er wurde schwerer. Unter ihm kam Hutch aus der Fähre und überschlug sich in der Luft.
Dann verlor er sie aus den Augen. Herabhängende Drähte flogen über den Himmel, und er schlang beide Arme durch die Maschen, packte Hutchs Leine, die fest um seine Leibesmitte geknotet war, und stemmte sich in das Netz. »Ich habe Sie«, sagte er.
Der Ruck riss ihm das Seil aus den Händen und zerrte heftig an seiner Leibesmitte. Die Schlinge rutschte von seinem Bauch bis zu seinen Knien herab, riss seine Füße von dem Netz, und für einen entsetzlichen Augenblick glaubte er, sie würden beide abstürzen. Aber seine Sicherungsleine hielt. Hastig griff er nach ihr und hielt sich mit einer Hand an der Leine, mit der anderen am Netz fest.
Jemand fragte, ob bei ihm alles in Ordnung sei. Hutchs Leine drohte ihm zu entgleiten, und er sammelte allen Mut und ließ das Netz los, um sie besser packen zu können. Dann sah er zu ihr herab, sah, wie sie sanft über den Wolken hin und her schaukelte.
Er fürchtete, seine eigene Leine könnte unter der Belastung reißen.
»Hutch«, rief er. »Sind Sie okay?«
Keine Antwort.
Sie war wie ein Anker, eine kaum erträgliche Last, und er konnte sie nicht halten, konnte die Kraft nicht aufbringen. Er kniff die Augen zu, und seine Schultern fingen an zu schmerzen.
Er versuchte sie heraufzuziehen, versuchte eine Möglichkeit zu finden, sie am Netz festzubinden, aber er konnte das Seil nicht loslassen, nicht einmal mit einer Hand, wollte er Hutch nicht für immer verlieren.
Kellie fragte nach seinem gottverdammten Status. »Kralle mich mit den Fingernägeln fest«, berichtete er.
»Nicht loslassen«, sagte Mac. Guter alter Mac, immer mit einem trefflichen Ratschlag zur Hand.
Nightingales Arme und Schultern schmerzten. »Hutch? Helfen Sie mir.«
Blöde Bemerkung. Sie schaukelte immer noch hin und her. Nur Gott wusste, wie weit sie von dem Netz entfernt war, und sie war offensichtlich nicht einmal imstande, sich selbst zu helfen.
Warum antwortete sie nicht? War sie tot? Beim Sturz umgekommen? Wie weit war sie überhaupt gestürzt? Er versuchte, ihren Fall in Gedanken zu rekonstruieren, um seinem Gehirn etwas zu geben, worauf es sich konzentrieren konnte.
»Ich kann sie nicht viel länger halten«, brüllte er in den Commlink. Er war am Ende seiner Kräfte, und sie war viel zu schwer, und er konnte ihr Seil nicht weiter hinaufziehen. »Bitte, helft mir!«
Marcel meldete sich. »Randy, nicht aufgeben.«
»Wie lange noch?«, fragte er. »Wie lange muss ich sie noch halten?«
»Bis Sie im Orbit sind«, sagte er. »Vierzehn Minuten.«
Sein Mut verließ ihn. Niemals. Nicht einmal annähernd. Vierzehn Minuten. Ich könnte sie ebenso gut gleich fallen lassen.
Sämtliche Luft war aus Hutchs Lungen gewichen, als sie gefallen war. Sie hörte die Stimmen in ihren Ohrhörern, aber sie waren so fern und unverständlich. Bis jetzt.
»Randy, nicht aufgeben.«
»Wie lange noch?«
Sie blickte an dem Seil empor, das sich scheinbar endlos über ihr bis zu dem Netz dehnte. Blickte zu Nightingale empor, der vollkommen verdreht im Netz hing und das Seil hielt. Instinktiv dachte sie daran hinaufzuklettern, sich in Sicherheit zu bringen, aber es war ein weiter Weg. Unter diesen Umständen konnte sie ihn nicht zurücklegen, und sie wollte Nightingale nicht noch mehr belasten.
»Ich bin okay, Randy«, sagte sie.
»Hutch!« Seine Stimme klang so verzweifelt. »Können Sie raufklettern?«
»Ich glaube nicht.«
»Versuchen Sie es.«
»Das ist keine gute Idee«, antwortete sie.
»In Ordnung.« Er klang so müde. So ängstlich.
»Nicht loslassen, Randy.«
»Das werde ich nicht, Hutch. Gott steh mir bei, ich werde nicht loslassen.«
»Das liegt daran, dass wir Sie hochziehen«, erklärte ihm Marcel.
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