Hutch 02 - Die Sanduhr Gottes
über ihre Geschichte verraten.«
»Wie sollen wir das anstellen?«, erkundigte sich Toni.
»Nach Gravuren suchen. Gegenstände, die mit Bildern verziert sind. Oder mit Symbolen. Oder Schriftzeichen.
Wir werden vermutlich keine Dokumente in Form von Papieren oder papierähnlichen Materialien finden. Wir haben zwar die Schriftrollen, mit denen vielleicht irgendjemand etwas anfangen kann, aber uns fehlen deutlich erkennbare Inschriften welcher Art auch immer. Symbole oder Bilder auf Gegenständen aus gebranntem Ton. So was in der Art, wir …« Ein unangenehmes Gefühl breitete sich in ihrem Magen aus, etwas, das sie nicht recht einordnen konnte. Die Kerzen flackerten.
»Was war das?«, fragte Toni.
Sie starrten einander aufgeschreckt an.
Beben.
Sie rief Marcel auf dem persönlichen Kanal. »Ich glaube«, sagte sie, »wir haben gerade ein kleineres Erdbeben erlebt.«
»Sind alle in Ordnung?«, fragte er.
»Ja. Es war nicht schlimm, aber das ist kein gutes Zeichen.«
»Wir haben Bodensensoren im Einsatz. Ich werde sie überprüfen und sehen, was sie anzeigen.«
»Sie hatten Recht«, erklärte ihr Marcel wenige Minuten später. »Es war eine 2.1.«
»Wie stark ist das?«
»Kaum spürbar.«
»Scheucht Vögel auf«, kommentierte sie.
»Ja, vermutlich.«
»Ich dachte, wir sollten bis zum letzten Tag oder so überhaupt nichts spüren.«
»Ich glaube nicht, dass ich so etwas je behauptet habe, Hutch. Aber ich habe Sie gewarnt und Ihnen gesagt, dass das Gebiet um den Turm herum nicht stabil ist. Sie sitzen direkt auf einer Verwerfungszone. Die Experten hier oben meinen, das wäre nicht der beste Aufenthaltsort, jetzt, da Morgans Welt sich nähert.«
»Morgans Welt ist noch weit weg.«
»Nicht weit genug. Das Ding ist gewaltig. Denken Sie in Jupiterdimensionen. «
»In Ordnung. Wir werden vorsichtig sein.«
»Vielleicht sollten Sie dort verschwinden und sich aus der Gefahrenzone bringen.«
»Sollte es ernst werden, werden wir das tun.«
»Ich denke, es ist ernst. Warum fliegen Sie nicht zu einer der anderen Fundstellen?«
»Welche schlagen Sie vor?«
»Irgendeine der Städte.«
»Welche davon ist zugänglich?«
Er zögerte. »Was meinen Sie mit zugänglich?«
»Ich meine, dass wir uns nicht durch zehn oder zwanzig Meter dickes Eis bohren müssen, um hineinzukommen.«
»Mir fällt kein einziger Ort ein, den Sie durch die Vordertür betreten können. Aber selbst wenn Sie ein bisschen graben müssen, wäre es doch sicherer.«
»Nach den Tagen, die wir brauchen werden, um überhaupt reinzukommen, vermutlich nicht mehr.« Um sich herum sah sie nur gespannte Aufmerksamkeit. »Wir werden keine Risiken eingehen, Marcel. Okay? Sollte es hier kritisch werden, sind wir weg.«
Als sie die Verbindung beendete, beugte sich Chiang vor und sagte: »Ich war ein paar Jahre an der Universität von Tokio. Dort haben die Lampen ständig gewackelt, und es hatte nichts zu bedeuten.« Er trug ein lässiges kurzärmeliges blaues Trikot mit der Aufschrift Miami Hurricanes. »Uns wird nichts passieren«, sagte er.
Sie diskutierten die Problematik. Wie wichtig waren der Turm und sein Inhalt? Hutch nahm an, dass ein professioneller Archäologe ohne Zögern auf unbezahlbar bestanden hätte. Aber sie musste sich eingestehen, dass es ihr unmöglich war, diese Frage eindeutig zu beantworten.
Am Ende einigten sie sich auf einen Kompromiss. Sie würden noch einen weiteren Tag hier arbeiten und sich dann einen sichereren Ort suchen.
Wind kam auf. Der Himmel war voller Sterne, deren Licht sich funkelnd auf der verschneiten Landschaft brach.
In Kellies direkter Nähe, nur eine Sitzreihe weiter vorn, fiel es Chiang schwer, Schlaf zu finden. Aber ihm war nicht klar, dass sie ebenfalls wach war, bis er hörte, dass sie sich bewegte. Er beugte sich vor und berührte sie am Ellbogen. »Alles in Ordnung?«, fragte er.
Sie drehte ihren Sitz so, dass sie ihn sehen konnte. Ihre Augen waren dunkel und wunderschön. Ihr Haar umschmeichelte ihren Hals, und er sehnte sich danach, es anzufassen, nach ihr zu greifen und sie in seine Arme zu ziehen. »Das Erdbeben ist kein gutes Zeichen«, sagte sie und blickte zum Turm hinüber. »Das Ding könnte uns direkt auf den Kopf fallen.«
»Tut es Ihnen Leid, mitgegangen zu sein?«
»Nein, das hätte ich auf keinen Fall verpassen wollen.« Ihre Augen richteten sich wieder auf ihn. »Andererseits …« Sie atmete tief ein, und er musste sich beherrschen, um nicht auf ihre Brüste zu starren.
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