Hutch 05 - Odyssee
erfassenden Zusammenbruch. Mit Ausnahme der Monument-Erbauer hat keine der uns bekannten Zivilisationen mehr als dreihundert Jahre nach der Entwicklung von Computern überdauert.
Damit soll nicht behauptet werden, dass zwischen Technisierung und Auslöschung einer Zivilisation eine Beziehung nach dem Prinzip von Ursache und Wirkung bestünde. Aber Colm Manchester weist in seiner monumentalen Studie über die Zivilisation darauf hin, dass Gesellschaften mit begrenzten technischen Errungenschaften tendenziell dauerhafter und stabiler sind.
Inzwischen sind dreieinhalb Jahrhunderte vergangen, seit wir angefangen haben, Computer zu benutzen. Hoffen wir, dass dieser Trend nicht auch auf uns zutrifft.
Tokyo Daily, Samstag, 4. April
RHINE: VIELE FÜHLEN SICH VON HOLLENFEUERDROHUNG IN PREDIGTEN BEEINTRÄCHTIGT
»Kann als Kindesmisshandlung gelten«
STUDIE: UNTERRICHTSFORMEN AUF RELIGIÖSER BASIS KÖNNEN ZU VOREINGENOMMENHEIT FÜHREN
»Die Hölle ist eine Erfindung von Dante«
Kapitel 19
Über Besichtigungstouren gibt es nicht viel zu sagen. Man sucht einen Ort auf, an dem es einen Wasserfall gibt. Man trinkt ein Bier, sieht zu, wie das Wasser in die Tiefe stürzt, und zieht weiter. Derartige Touren sind immer gleich. Das Einzige, was am Ende zählt, ist das Bier.
Gregory MacAllister, aus: Endphase
Das Monument brauchte einen Namen. Einen anderen als Cygni-Tempel, unter dem es allgemein bekannt war. Als es vor Jahrzehnten entdeckt worden war, hatten religiöse Einrichtungen voller Stolz erklärt, dies sei der Beweis, dass sogar außerirdische Zivilisationen den Schöpfer anerkennten. Damit mochten sie sogar Recht haben, aber tatsächlich wusste schlicht niemand, welche Bedeutung dieses Gebäude für jene Kreaturen gehabt hatte, die es auf seinem einsamen Orbit zurückgelassen hatten.
MacAllister erkannte langsam, dass dieser Flug, auch wenn sie keine Moonrider zu sehen bekämen, ein gewisses Potenzial für eine gute Story barg. Er legte seine Notizen zu Der dunkle Spiegel weg und dachte, er könnte stattdessen seine eigenen Einsichten und Reaktionen in Hinblick auf die diversen Zielorte aufzeichnen. Es war nicht schwer, sich in philosophischen Schwärmereien über Orte wie diesen Tempel auszulassen, also fing er an, ein Tagebuch zu schreiben.
Ehe sie das System verließen, machten sie Bilder. Von Captain und Passagieren auf der Brücke, von Amy mit dem Monument im Hintergrund, von Eric, der das Monument studierte und gleichzeitig Notizen machte. Valya bearbeitete die Bilder, sodass es schien, als würde Eric sich an eine der Säulen lehnen und Amy am Fuß der Stufen stehen, nur Zentimeter von der Ewigkeit entfernt. Sogar MacAllister räumte ihr ein wenig Spielraum ein, und sie legte seine Züge über das Monument, sodass es den Eindruck erweckte, er wäre die dort residierende Gottheit.
»Sie wollen mir also etwas mitteilen«, sagte er.
Sie saßen zu zweit im Gemeinschaftsraum. »Ganz und gar nicht.« Sie besaß ein Lächeln, das sogar in seine innere Trübnis vorzudringen imstande war, und sie nutzte es, bedeutete ihm, dass ihre Fotomontage ihn vielleicht wirklich widerspiegele, doch ja, sein wahres Ich, den Kerl, der glaube, er wisse alles. Aber irgendwie schaffte sie es, den Eindruck gleichzeitig abzumildern.
Zu Hause war MacAllister ständig Ziel von Angriffen. Normalerweise kamen sie schlicht von Leuten, die zurückschlugen, nachdem er sie wohlverdient höchst kritisch unter die Lupe genommen hatte. Mac betrachtete derartige Reaktionen routinemäßig als Teil seiner Arbeit. Flohbisse von bedeutungslosen Gestalten. Aber als er den Tadel in Valyas Augen sah, der ihn aus Gründen, die er selbst nicht verstehen konnte, schmerzte, wollte er ihr erklären, dass er der Akademie nur Gutes wünsche, dass er ihr nur Gutes wünsche. Dass er nicht der dämliche Mistkerl sei, für den sie ihn offensichtlich hielt.
»Haben Sie sich freiwillig für diese Mission zur Verfügung gestellt?«, fragte er.
»In gewisser Weise. Ich hätte auch ablehnen können.«
»Aber das haben Sie nicht.«
»Gibt es einen Grund, warum ich hätte ablehnen sollen?«
»Ich dachte, Sie hätten es vielleicht vorgezogen, mich nicht zu Ihren Passagieren zu zählen.«
»Um ehrlich zu sein«, sagte sie, »habe ich ein wenig gezögert, als Hutch mir erzählt hat, dass Sie mitfliegen würden. Schauen Sie, Mac, da Sie gefragt haben: Sie gehören nicht gerade zu den Leuten, die mir besonders am Herzen liegen. Das ist nichts
Weitere Kostenlose Bücher