Hutch 06 - Hexenkessel
gelassen an ihrem Liegeplatz.
Als man wenige Minuten vor dem Start dort eintraf, bat Rudy um Ruhe, dankte allen Beteiligten, rief Jon zu sich und stellte ihn vor als den »Mann, den jeder hier längst kennt«. Zufrieden ließ er seinen Blick über die Zuschauer schweifen. Er liebte Augenblicke wie diesen. Welche Sorgen ihn auch ob eines möglichen Fehlschlags geplagt hatten, nun waren sie nicht mehr spürbar. Wozu auch? Versuchte man, den Everest zu besteigen, war es schließlich auch keine Blamage, wenn man den Gipfel nicht erreichte. »Meine sehr geehrten Damen und Herren«, begann er seine Erläuterungen zum Ablauf des Versuchs, »wir werden die Happy Times von hier aus steuern. Da Dr. Silvestris Antrieb bisher noch nie erprobt wurde, wird niemand an Bord des Schiffes sein, während es unterwegs ist.
Das Schiff wird in …«, er warf einen Blick auf seine Armbanduhr und tippte der Wirkung wegen auf seine Ohrhörer, »… ungefähr elf Minuten von Startrampe 4 starten. Zweiundvierzig Minuten später, nachdem das System geladen ist, werden wir den Locarno in Betrieb setzen, und die Happy Times wird in Dimensionen vordringen, in die wir bisher noch nicht vorgestoßen sind.« Sein Lächeln wurde breiter. »Nehmen wir an.« Jon, der immer noch neben ihm stand, grinste und erklärte, das zumindest hoffe er. Worauf ihm herzhaftes Gelächter entgegenscholl.
»Wenn alles gut geht, wird sie 3,7 Milliarden Meilen von hier entfernt wieder in den Normalraum eintreten, ehe Sie bis sechs zählen können. Ein Standardschiff mit einem Hazeltine-Antrieb würde für diesen Sprung knapp eine Minute brauchen.«
Jemand wollte wissen, wie er sich die 3,7 Milliarden Kilometer vorstellen müsse. Die Entfernung zum Saturn? Zum Uranus?
»Eher Pluto«, erwiderte Rudy.
»Rudy!« George Eifen von Science News stand in der Nähe der Tür. Er hatte sich einen Bart wachsen lassen, seit Rudy ihn das letzte Mal gesehen hatte. »Ist das wirklich korrekt? Sechzig Sekunden?«
Rudy lächelte zufrieden. »George, wir haben den größten Teil eines Jahrhunderts stets eine Minute bis zum Pluto gebraucht. Das ist allerdings kaum bekannt, da niemand je zum Pluto fliegt. Wir machen Sprünge vom Rigel oder von wo auch immer, und sie dauern Stunden oder Tage, und so geht das Gefühl für die Geschwindigkeit verloren. Die Menschen erkennen kaum, was Ginny Hazeltine vollbracht hat. Nun, mit dem Locarno hoffen wir, diese Leistung noch erheblich zu verbessern.«
Wieder lächelte er, bemühte sich aber um den Anschein vager Unsicherheit. Bemühte sich, Hoffnung zu vermitteln. Nur nicht blasiert aussehen. Erst musste er sich vergewissern, dass das Ding auch funktionierte. »Wenn die Happy Times am Zielpunkt eintrifft, wird sie ein Funksignal hierher absetzen. Jetzt ist es …«, wieder sah er zur Uhr, »… beinahe Mittag.« Greenwich Mean Time natürlich. »Wenn alles gut geht, wird sie gegen 12.45 Uhr am Rand des Sonnensystems sein. Das Funksignal braucht sechs Stunden, um hier einzugehen.« Er sah sich im Raum um. »Etwa gegen sieben Uhr abends werden wir wissen, ob wir Erfolg hatten.«
Ein kleiner Mann, der sich etwas abseits hielt, wedelte mit der Hand. »Besteht nicht die Gefahr, dass sie Pluto trifft?«
Rudy gluckste leise. »Pluto ist momentan nicht dort«, sagte er. »Also besteht keine Gefahr einer Kollision. Zudem befindet sich ein Materiedetektor an Bord, der verhindern würde, dass die Happy Times im gleichen Raum wie ein Festkörper zu materialisieren versucht.«
Nun musste auch Jon sich den Fragen stellen. Wie fühle er sich? Wie zuversichtlich sei er? Sehe er denn in einer Zeit, in der der Drang, den Weltraum zu bereisen, verschwunden zu sein schien, einen praktischen Nutzen für diese Art von Antriebssystem?
Jon erklärte, er glaube nicht, dass das derzeitige Desinteresse von Dauer sei. Als er fertig war, deutete Rudy auf die Uhr. Noch vier Minuten. »Dr. Silvestri«, sagte er, »wird die Happy Times starten.«
Jon nahm seinen Platz an der Steuerkonsole ein. Jemand reichte ihm eine Tasse Kaffee, und Stille senkte sich über den Raum. Rudy trat ein Stück zurück. Die Displays wurden aktiviert, und man konnte die Tore von Startrampe 4 aus verschiedenen Blickwinkeln sehen. Teleskope im Orbit waren ebenfalls zugeschaltet worden. Wenn alles wie geplant verlief, würden diese die Happy Times im Bild behalten, bis sie ihren Sprung durchführte. Dieser Teil der Geschichte hatte sich leichter arrangieren lassen, als Rudy erwartet hatte. Das
Weitere Kostenlose Bücher