Hutch 06 - Hexenkessel
Orten, die bisher Wochen und Monate entfernt gewesen seien. Die Einrichtung von Kolonien sei machbar, sollte die Menschheit diesen Weg einschlagen. Reisen, die bis dato Leuten mit großen Bankkonten vorbehalten gewesen seien, würden fürderhin für jeden erschwinglich sein. »Die Leute werden imstande sein, Urlaub auf den Plejaden zu machen, wie wir es bisher auf dem Mond tun. Es wird sein, als hätte man die Segelschiffe des fünfzehnten Jahrhunderts plötzlich durch Düsenflugzeuge ersetzt.«
Und doch: Es schien zu gut, um wahr zu sein. Rudy sagte sich wieder und wieder, er würde sich besser fühlen, würde er nur mehr von der Sache verstehen. Nichts von all dem fiel in Rudys Fachgebiet. Er war Astrophysiker von Beruf. Er wusste, welche Dynamik der Entstehung und dem Untergang von Sternen zugrunde lag. Aber nukleare Prozesse und kollabierende Sterne und all diese Dinge waren für ihn im Vergleich zu diesem multidimensionalen Gerede recht unkomplizierte Themen. Wäre er im vergangenen Jahrhundert dabei gewesen, als Ginny Hazeltine behauptet hatte, sie könne Alpha Centauri binnen weniger Stunden erreichen, er hätte zu den Skeptikern gehört.
Am Montag, den 19. Februar, traf die Meldung ein, dass die Itaki die Jenkins gefunden habe. Am zwanzigsten erhielt Rudy eine Botschaft von François, der ihm mitteilte, dass sie alle an Bord des Rettungsschiffs und auf dem Weg nach Hause seien. Alle seien, so sagte er, frohen Mutes. »Tut mir leid, dass wir Ihr Schiff verloren haben.«
Die Itaki erreichte am 1. März Serenity. »Ich dachte immer, die Station solle geschlossen werden«, berichtete François, »aber man hat uns gesagt, das würde noch Jahre dauern.«
Am nächsten Tag schickte er eine weitere Botschaft: »Rudy, ich weiß, die Foundation hat jetzt nur noch ein Schiff, und Sie können keine zwei Piloten brauchen. Ich werde hier draußen einen Job annehmen. Werde Shuttles fliegen, während die Station stillgelegt wird. Ben und die anderen werden auf der Itaki zurückreisen. Für Sie zu arbeiten wird mir fehlen. Ich bin gern für Sie geflogen, und ich hoffe, wir sehen uns, wenn ich zurück bin. In ein paar Jahren.« Dann lächelte er und meldete sich ab.
Drei Tage später kehrte die Phyllis Preston von einer Mission zurück. Rudy war natürlich vor Ort, als sie andockte, und er hatte Jon mitgebracht.
Die Preston hatte die Hyaden durchstöbert, 150 Lichtjahre weit draußen, einen Sternhaufen, dessen Alter auf 625 Millionen Jahre geschätzt wurde. Wie alle Sternhaufen veränderte er sich im Lauf der Zeit, massereichere Sterne sanken ins Zentrum, periphere Sterne wurden nach Beinahekollisionen hinausgeschleudert.
Wie der überwiegende Teil der kleinen Weltraumblase, in die die Menschheit sich bisher vorgetastet hatte, war auch dieser Sternhaufen weitgehend unbekanntes Terrain.
Das System bestand aus knapp über zweihundert Sternen oder auch etwas weniger, je nachdem, nach welcher Methode gezählt wurde. Die Preston, die das System zwecks allgemeiner Vermessungsarbeiten besucht hatte, war beinahe sechs Monate unterwegs gewesen und hatte dabei etwa ein Viertel des Systems durchflogen. Sie hatten nur eine lebendige Welt entdeckt, deren biologische Lebensformen immer noch einzellig waren. Erste Gutachten deuteten darauf hin, dass es noch weitere zwei Milliarden Jahre dauern würde, ehe sich die ersten Mehrzeller entwickelt hätten.
Außerdem gab es einen Gasriesen, in dessen Atmosphäre Leben möglich wäre. Die Mission war jedoch nicht dazu gerüstet gewesen, entsprechende Untersuchungen vorzunehmen. Was bedeutete, dass ein zweiter Flug notwendig wäre, um mehr zu erfahren. Aber natürlich wusste jeder, dass es keinen zweiten Flug geben würde.
Wie verzweifelt die Forschungsbemühungen inzwischen vorangetrieben wurden, ließ sich am Alter der Beteiligten abschätzen. Bei diesen Flügen sah man nur noch selten junge Menschen. Nun, da nur noch ein paar von privater Seite finanzierte Organisationen Missionen durchführten, war schlicht kein Platz für sie verfügbar. Die Forschungsteams setzten sich unweigerlich aus Abteilungsleitern oder hochgelobten Wissenschaftlern zusammen. Postdoktoranden wie in der guten, alten Zeit waren nicht mehr dabei.
Rudy vermisste diese gute, alte Zeit. Er selbst war dreimal draußen gewesen, insgesamt acht Monate. Zweimal war er zu nahen Systemen geflogen, einmal zu M44, einem offenen Sternhaufen, wo Rudy eines Morgens eine wundervolle Aussicht auf den sich verfinsternden
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