Hutch 06 - Hexenkessel
Partikelstrahlen untergegangen, zerstört wie das Gestein. »Ich fürchte, vulgäre Worte passen nicht«, meinte Antonio über die Allcomm. »Können wir den Moment nicht einfach noch einmal erleben?«
»Nicht, ohne das Gesetz zu brechen«, bemerkte Matt. »Er ist im Logbuch verzeichnet.«
»Dann lautet unser Kommentar zu unserem gigantischen Sprung also ›Gottverdammt‹?«
»Tut mir leid, Antonio.«
Antonio schüttelte den Kopf. »Abbitte sollten Sie lieber gegenüber der Geschichte leisten, Compagno.«
Eine blendend helle Sonne beherrschte den Himmel. Matt aktivierte die Sichtlukenfilter. Das half.
»Zu nah«, konstatierte Rudy. »Der Antrieb ist nicht so präzise wie der Hazeltine.«
Jon entschuldigte sich und erklärte, er werde das mit der Zeit korrigieren können. Die anderen sagten ihm, es wäre nicht wichtig. Nicht jetzt. »Zeit, die Sache offiziell zu machen«, sagte Rudy. Er stemmte sich von seinem Platz hoch und verschwand im hinteren Bereich. Eine Minute später kehrte er zurück und wedelte mit Gläsern und einer Flasche französischen Champagners.
Als Ankunftszeit verzeichneten sie 1753 Schiffszeit. Transitzeit: fünf Stunden, fünfunddreißig Minuten, siebzehn Sekunden. Matt ließ sich den Logbucheintrag ausdrucken, inklusive seiner unglücklichen Bemerkung, und sie alle unterschrieben darauf. Jon Silvestri. Priscilla Hutchins. Rudy Golombeck. Antonio Giannotti. Matthew Darwin.
»Also, nun sind wir hier«, sagte Antonio. »Und was jetzt?«
»Wenn ich richtig verstanden habe, sind wir nicht in der Nähe von Seabright«, sagte Hutch.
Matt schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht.« Sie schenkte ihm ein Lächeln. Zwei Piloten, zwischen denen ein unausgesprochenes Einverständnis herrschte. Der Weltraum da draußen ist groß. Brandneues Antriebssystem. Können von Glück reden, dass wir es überhaupt in die Nähe des Sterns geschafft haben.
Es war schön, wieder hier zu sein. Matt blickte hinaus zu den Sternen und dachte, dass es wirklich keinen vergleichbaren Beruf gebe. »Phyl«, fragte er, »wie weit sind wir von Seabright entfernt?«
»Zweihundertdreiundsechzig Millionen Kilometer, Matt. Zehn Tage mit dem Standardantrieb.«
»Kriegen wir das auch besser hin?«, fragte Antonio lächelnd.
»Ich denke, das wäre möglich«, entgegnete Matt mit einem Grinsen.
»Seabright habe ich noch nie gesehen«, meinte Antonio.
Was immer er auch von sich behauptete, Matt bezweifelte, dass Antonio überhaupt allzu viel Außergewöhnliches zu sehen bekommen hatte. Journalisten waren meist auf den Standardrouten gereist, aber man hatte sie höchst selten bei einer Forschungsmission angetroffen.
Jon nickte. »Wäre irgendwie unpassend, den ganzen Weg hierher zu fliegen und nicht einmal die Aussicht zu genießen«, sagte er und sah sich zu Matt um. »Warum sehen wir uns Seabright nicht an?«
»Von mir aus«, antwortete Matt. »Ich habe nichts dagegen. Wir müssen dem Pferd nur ein bisschen die Sporen geben, um nachzuladen. Ich gebe Bescheid, wenn wir soweit sind.«
Hutch verbrachte die Zeit damit, sich Gedanken darüber zu machen, welche Auswirkungen es hätte, sollte der Locarno irgendwann wirklich präzise arbeiten. Reisen, quer durch das Solarsystem, binnen Sekunden! Sie fragte sich, ob es wohl eines Tages eine Bodenversion geben würde. In Boston in einen Zug steigen und einen Lidschlag später in Los Angeles wieder aussteigen. Oder Honolulu. Ob womöglich gar irgendwann Privatfahrzeuge so etwas zustande brächten? Sie war nicht sicher, ob sie in einer solchen Welt leben wollte. Es gefiel ihr, in einem Gleitzug zu fahren oder über D.C. in der Luft zu gondeln. Beim Reisen ging es schließlich in erster Linie um den Weg, weniger um das Ziel. So wie im Leben.
Hutch unterhielt sich mit Antonio über den Zustand der Welt und die allgemeine Neigung ihrer menschlichen Bewohner, erst dann aufzuhorchen, wenn sich ihre Lebensumstände bereits massiv verschlechterten. In diesem Augenblick verkündete Matt, dass sie sprungbereit seien.
Jon hatte Hutchs Platz auf der Brücke eingenommen und bastelte an den Einstellungen herum. »Ich will nicht zu nahe ran«, erklärte er. »Wir können dem Massedetektor nicht trauen.«
In Hutchs Ohren hörte er sich ein wenig zu salopp an. Sie hätte sich wohler gefühlt, hätte sie selbst die Kontrolle über den Flug gehabt.
Matts Stimme ertönte über die Allcomm. »Anschnallen bitte!«
Hutch aktivierte das Gurtsystem, und auch Antonio schnallte sich an.
»Zehn
Weitere Kostenlose Bücher