Hyänen
wühlte, wie einer dieser wahnsinnigen Geizkragen in Stummfilmen. Als Kind hatte er mit der Familie auf einer Urlaubsfahrt die Diamantenmine in Murfreesboro, Arkansas, besucht. Man bezahlte Eintritt und konnte dann selbst nach Diamanten suchen, und was man fand, durfte man behalten. Er hatte sich vorgestellt, dass sie mit Spitzhacke und Schutzhelm mit Grubenlicht tief in ein dunkles Bergwerk hinabsteigen würden, aber stattdessen war es nur ein umgepflügtes Feld in der prallen Sommersonne. Nach einer Viertelstunde hatte er tatsächlich einen Diamanten gefunden. Ein schäbiges kleines gelbes Ding, aber es war ein Diamant. Seitdem war er von Diamanten besessen. Er würde Ginas Diamanten stehlen, dann würde er mit ihr schlafen und sie umbringen. Danach würde er den Dienst als Marshall quittieren und in ein warmes Land in der Dritten Welt ziehen. Wenn er ab und zu einen Diamanten verkaufte, konnte er davon leben wie ein Scheich. Vielleicht in Thailand. Tolles Essen und billige junge Muschis, so viel man wollte.
Er machte sich Gedanken über Luke. Was sollte er nur mit ihm anstellen? Nach und nach wurde ihm klar, dass es eine üble Verschwendung wäre, ihn einfach gemeinsam mit seiner Mutter umzubringen.
Dann fiel ihm etwas ein. In einer Bar am Flughafen von Miami hatte er einen faszinierenden Typen kennengelernt. Ein Argentinier, Leopoldo Forza. Ihre Flüge hatten Verspätung, und sie hatten ein paar Stunden damit verbracht, Single Malt Scotch zu trinken und zu reden. Forza hatte in Wirtschaftswissenschaften promoviert und war Professor an der staatlichen Universität in Mar del Plata; er hatte einige Bücher veröffentlicht und war als Geschäftsmann an einer verblüffenden Vielzahl von Projekten beteiligt. Er war der Meinung, die Natur kenne keine Moral, und da die Menschen ein Teil der Natur seien, gelte das auch für sie; wer etwas anderes glaubte, sei einer Wahnvorstellung aufgesessen. Forza meinte, staatliche Einrichtungen aller Art seien im Begriff, sich aufzulösen, und ihre Aufgaben würden vom Markt übernommen. Gesetze, Regeln oder Vorschriften seien nicht notwendig, denn jedes Atom dieser Erde und alle Wesen, die auf ihr leben, wären Teile eines Systems, das sich unaufhörlich um sich selbst drehe, wie ein Kreisel. Erlösung und Erfolg kann nur haben, wer sich diesem System anschließt; wer mit dem System zu einer Einheit verschmilzt. Ter Horst war nicht sicher, wie viel er von alldem verstanden hatte, aber es faszinierte ihn, auch wenn er als Christ einige Vorbehalte hatte. Professor Forza erwiderte, er solle sich den Markt ganz einfach als den Leib Christi vorstellen.
Sie waren miteinander in Verbindung geblieben und hatten das Thema weiter diskutiert; sie suchten nach einem Projekt, das sie gemeinsam angehen könnten. Und gerade jetzt war ihm eingefallen, was ihm Forza über einen südamerikanischen Pädophilenring erzählt hatte. Eine Gruppe wahnsinnig wohlhabender Tucken reichte unter sich hübsche Jungen herum, und wenn deren Reize verbraucht waren, wurden sie entsorgt. Ein süßer kleiner Nordamerikaner wäre da zweifellos Gold wert.
Sie hatten im Café gefrühstückt und gingen nun spazieren. Der Sonntagmorgen erbebte, als ein Flugzeug startete. Alle drei sahen ihm nach, bis es in der Ferne verschwunden war und die Stadt ihre sonnige Gelassenheit zurückgewann.
Gina stöhnte leise und legte eine Hand auf ihren Magen.
«Stimmt was nicht?», fragte Gray.
«Mein Magen. Ich muss ihn mir irgendwie verdorben haben.»
«Geschieht dir recht», sagte Luke.
«Was soll das denn heißen?»
«Gestern hast du gesagt, dir ginge es schlecht, aber das stimmte nicht. Wenn es dir heute schlechtgeht, dann geschieht dir das nur recht.»
«Danke für dein Mitgefühl. Außerdem ist Gray schuld daran, und Norman auch.»
«Warum sind wir denn schuld?»
«Weil ihr mich zu dieser wilden Feier überredet habt. Mein Körper ist das nicht gewohnt.»
«Drei Stunden Scrabble zu spielen, ist für dich eine wilde Feier?»
«Genau. Ich bin ein altmodisches Mädchen.» Und dann sagte sie zu Luke: «Lass uns umkehren. Wir gehen zurück zum Motel.»
«Warum?»
«Ich hab’s doch gerade gesagt. Es geht mir nicht gut.»
«Warum muss ich denn mitkommen? Warum kann ich nicht bei Gray bleiben?»
«Ach, Luke, müssen wir uns denn über jede Kleinigkeit streiten?»
«Er kann bei mir bleiben», sagte Gray.
Sie antwortete nicht. Sah Gray an. Dachte nach.
«Ihm passiert schon nichts, Gina. Mach dir keine
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