Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hyänen

Hyänen

Titel: Hyänen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Epperson
Vom Netzwerk:
setzte sich an den Schreibtisch und wollte Gray googeln, aber sie wusste nicht einmal seinen vollen Namen. Der einzige Anhaltspunkt war der Name des Schiffs, auf dem er gedient hatte.
    Sie gab
us navy thomaston
ein. Fünfzehntausendneunhundert Einträge wurden angezeigt. Nach ein bis zwei Minuten hatte sie herausgefunden, dass die Thomaston im Jahr 1953 in Pascagoula, Mississippi, gebaut worden war. Sie hatte 1965 an den Operationen der Marines in Da Nang und Chu Lai in Südvietnam teilgenommen. Am achtundzwanzigsten September 1984 war sie ausgemustert worden. Gray sah aus wie Anfang oder Mitte dreißig, vielleicht vierunddreißig. Dann wäre er 1984 neun Jahre alt gewesen. Ganz schön jung für einen Seemann.
     
    Drei Türen weiter war inzwischen auch der Seemann eingeschlafen. Er träumte, er kletterte einen hohen, zerklüfteten Berg empor; um ihn herum sanken purpurne Wolken nach unten. Er begriff, dass die Wolken und Berge, die er von Normans Balkon aus gesehen hatte, nicht an etwas Vergangenes erinnerten, sondern die Vorzeichen dessen waren, was jetzt geschah. Sein Aufstieg zum Gipfel, wo er dem Affenkönig von Angesicht zu Angesicht begegnen würde. Schon lange, bevor er geboren wurde, hatte der Affenkönig auf ihn gewartet. Seine goldenen Augen durchschauten jede Täuschung. Eine kurze Berührung seiner dunklen, faltigen Hand würde den Seemann zerschmettern, und es würde nichts übrig bleiben als die Wahrheit. Vielleicht auch die
WAHRHEIT
. Und deshalb kletterte der Seemann weiter empor
.

Sonntag
    E r hatte einen neuen Zimmergenossen. Wieder ein alter Mann, ein Mexikaner. Manuel. Aber er war nicht so lästig wie der vorige. Er war fett und gutmütig und hatte eine große, genauso fette Familie, die zur Besuchszeit sein Bett belagerte. Sie lachten und plapperten auf Spanisch, als ob es ein großer Spaß wäre, im Krankenhaus zu sein. Außerdem hatte er eine hübsche Enkelin, die noch nicht so fett wie die anderen war. Sie hatte ter Horst angelächelt, er hätte sie mit Haut und Haaren vernaschen können. Allerdings war Manuel ziemlich taub und drehte den Ton des Fernsehers sehr laut. Jetzt gerade sah er sich auf Spanisch eine idiotische Talkshow an. Der fette und ziemlich kahle Gastgeber war dabei, sich auszuziehen, um in ein Schaumbad zu steigen, wo eine vollbusige Blondine in einem gelben Bikini auf ihn wartete. Das Publikum im Studio lachte sich halb tot, und Manuel ging es genauso. Er bekam einen Hustenanfall und wurde ganz rot im Gesicht. Ter Horst fing schon an, sich Sorgen zu machen.
    «Hey, Manuel, alles in Ordnung?»
    Er nickte und wedelte mit der Hand. Er konnte vor lauter Lachen noch keinen Ton herausbringen.
    «Manuel? Kannst du den Ton vielleicht ein wenig leiser stellen?»
    «Oh,

. Sorry.»
    Mit einem Auge verfolgte er das Spiel Green Bay gegen Tampa Bay, während er mit seinem Laptop herumspielte. Er hatte noch nicht herausgefunden, wie Google Earth funktionierte. Gern hätte er sich King Beach angesehen, aber das Programm zeigte mit nervtötender Beharrlichkeit immer wieder ein Stadtviertel von Paris. Schließlich gab er auf und schaltete stattdessen den MobileTracker ein. Ja-woll! Sie waren noch in King Beach. Sie fühlten sich wohl sicher. Und das begriff er nicht. Er hätte schwören können, dass Luke ihn gesehen hatte, als er auf der Interstate den Herzanfall bekam. Wenn sie wüssten, dass er in der Nähe war, würden sie Südkalifornien bestimmt so schnell wie möglich verlassen. Aber vielleicht lag es daran, dass Luke einfach nicht glauben konnte, dass es wirklich ter Horst gewesen war, so weit im Westen.
    Er legte den Laptop weg, faltete die Hände über dem Bauch und lehnte sich zurück, um das Spiel zu schauen. Er fühlte sich noch schwach, aber es ging ihm schon besser. Er hoffte, dass er in einem oder zwei Tagen wieder fit genug war, um weiterzufahren. Alles in allem war dieser Aufenthalt im Krankenhaus gar nicht so schlimm, abgesehen von dem islamischen Arzt, der versuchte, ihn heimlich umzubringen. Das Essen war furchtbar, aber Martinez schmuggelte jede Menge guter Sachen für ihn herein – Schokoriegel, Studentenfutter, Chips und leckere Tamales mit Hühnchen, die seine Schwiegermutter gemacht hatte. Normalerweise dachte er nicht viel über sich selber nach, aber jetzt genoss er es, in aller Ruhe Erinnerungen und Tagträumen nachzuhängen. Anstatt dem Footballspiel zu folgen, begann er zu träumen. Er stellte sich vor, dass er mit beiden Händen in einem Haufen Diamanten

Weitere Kostenlose Bücher