Hybrid
Da! Seht ihr? Hier ist das Mitarbeiterverzeichnis von DGaebler.«
Auf dem Bildschirm öffnete sich ein Dateiordner mit zahllosen Dateien und Unterordnern.
»Natürlich sind die auch voll mit privatem Kram«, erklärte Hwang, während er eine Suchanfrage über die Ordnerstruktur startete. »Die legen ihre MP 3-Sammlung hier ab, Fotos, Filme, Adressbücher, alles Mögliche. So. Bitte. Ich habe alle Dateien nach Datum sortiert. Die neueste ist die hier, und wie es aussieht …« Er klickte sie an, und es öffnete sich eine Bildschirmmaske mit zahlreichen ausgefüllten Textfeldern. »Na also, das ist der Report. Er hatte ihn ganz ordentlich vorbereitet und erst in die Datenbank hochgespielt, als er fertig war. Hier ist also noch die Ursprungskopie.«
»Großartig!«, rief Juli. »Kannst du ihn ausdrucken?«
»Klar, Moment.«
Wenig später kamen einige Blätter aus dem Drucker, und Hwang reichte sie an Juli, die sie sofort studierte.
Dann stockte sie und sah auf.
»Was ist?«, fragte Tom. »Was steht drin? Wissen wir, was mit dem Fuß los ist, wem er gehört?«
Juli schüttelte den Kopf.
»Nein«, sagte sie tonlos. »Aber dieser Fuß … er ist nur zum Teil menschlich …«
»Was soll das heißen? Ist er künstlich? Eine Prothese?«
»Er ist zum Teil Mensch … und zum Teil Tier!«
Kapitel 4
Tagebuch von Marie Thomas – Brasilien, 12. Mai
E s war ekelerregend. Ich weiß, das ist keine sachliche, medizinische Beschreibung, aber was ich sah, als Christian die Leichentücher beiseitezog, verschlug mir den Atem.
Es ist gerade erst ein paar Stunden her, und die Bilder verfolgen mich. Wenn ich die Augen schließe, sehe ich nichts anderes vor mir, es fällt mir unendlich schwer, alles zu verdrängen, auf Abstand zu halten. Das Schreiben lenkt mich ein bisschen ab, aber ich kann unmöglich ausführen, was ich gesehen habe, zu grauenvoll und entsetzlich war der Anblick, der sich mir bot.
Darüber nachzudenken, wie nah ich diesem – Ding im Wasser gewesen bin, dass sich die herausgerissenen und halb gefressenen, halb verwesten Eingeweide um meinen nackten Körper geschlungen hatten, lässt mich beben, ich wünschte, ich könnte meine Haut mit kochendem Wasser desinfizieren, abtöten, am liebsten ganz vom Körper reißen!
Christian schien bei all dem so wenig beeindruckt; ich weiß nicht, ob er mir den starken Mann vorspielen wollte oder ob er tatsächlich so abgeklärt ist, dass es ihm wirklich nichts ausmacht.
So gefesselt war ich von dem Grauen, dass ich lange Zeit vollkommen bewegungslos auf die verrotteten Fleischklumpen gestarrt haben musste. Christian erzählte irgendetwas, das ich nur gedämpft wahrnahm, und ich fuhr erschrocken zusammen, als er mich am Arm packte und mich fragte, ob ich ihm überhaupt zugehört hatte.
Ich riss meinen Blick los von diesen leeren Augenhöhlen, der aufgeschwemmten und von Geschwüren übersäten Masse eines einstigen Gesichts, den aufgeklappten weißen Hautlappen und den herausgerissenen bleichen Fleischfasern. Vor meinem geistigen Auge sehe ich jetzt noch die schwarzen Borsten, die an mehreren Stellen die Haut durchdrangen, gerade, drahtige Gebilde, mehrere Zentimeter lang, ohne jede Ähnlichkeit mit menschlichem Haar.
Christian redete auf mich ein, deutete auf einen niedriger liegenden Teil des amorphen Fleischhaufens. Was einmal ein Brustkorb oder eine Bauchhöhle gewesen sein musste, klaffte weit auf und offenbarte einen ausgebluteten und aufgeweichten Brei aus schlangenartigen, grauweißen Schläuchen und Schnüren, aus denen einzelne Knochen herausragten wie die Zähne einer höllischen Monstrosität, in deren bestialischen Schlund man geradewegs hineinblickte.
Ob mir etwas Besonderes auffiele, fragte mich Christian, aber ich schüttelte wohl nur entgeistert den Kopf. Die albtraumhafte Ungeheuerlichkeit hielt mich gefangen, längst schon war ich zu keinem klaren Gedanken mehr fähig. Es war mir unmöglich, das, was ich hier sah, mit dem zu vereinen, was ich über den menschlichen Körper gelernt hatte, der Anblick spottete jeder anatomischen Lehrstunde, sprengte jeden Rahmen meiner Vorstellung.
Christian plapperte weiter, aber seine Worte verschwammen zu einem diffusen Einerlei, ähnlich dem beständigen Summen, Pfeifen und Krakeelen des Urwaldes, das trotz aller Gegenwart zu einem unhörbaren Hintergrundgeräusch wird. Und dann mit einem Mal stach ein Wort heraus: Violett. Und in diesem Augenblick beschrieb es genau, woran sich meine Augen und mein Verstand
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