Hybrid
beobachtet und gewusst haben, dass wir auf die Insel fahren würden … Wenn die uns erwischt hätten!«
»Das zeigt nur, dass da etwas mit aller Macht geheim gehalten werden soll. Notfalls mit Gewalt.«
»Hast du schon mit Berger telefoniert?« Noch auf dem Boot hatten sie besprochen, dass sie den Hauptkommissar umgehend von den Geschehnissen informieren wollten.
»Er war nicht da.«
»Und jetzt?«
»Die haben mich an einen anderen Kommissar weitergeleitet, dem ich alles erzählen sollte. Wilms hieß der.«
»Aber Berger sagte extra, dass wir mit niemand anderem sprechen sollten!«
»Ja, weil er Sorge hat, dass seine Suche nach dem Maulwurf auffliegt. Aber mir war ehrlich gesagt wichtiger, dass die Polizei notfalls unseren Arsch retten kann.«
»Als ob die nun Bodyguards für uns abstellen. Was hat er denn gesagt?«
»Er hat sich alles angehört, Notizen gemacht und gesagt, wir sollen weitere Anweisungen von der Polizei abwarten und bis dahin unbedingt zu Hause bleiben und keine weiteren Risiken eingehen.«
»Soso, zu Hause bleiben.« Juli drehte sich zu Tom und grinste breit. »Und vorzugsweise bei dir, hast du dir vorgestellt, was?«
Tom hob die Arme in einer Geste der Unschuld. »Es steht dir frei zu gehen.«
Juli setzte sich auf. »Noch nicht. Wir haben einen ganzen Rucksack voll Zeug. Ich will unbedingt wissen, was drin steht!«
Zwei Stunden später hatten sie das Material gesichtet. Ihre Vermutung, dass die Anlage als Versuchslabor gedient hatte, bestätigte sich anhand der Inventarlisten und Lieferscheine, die sie fanden. Die Details blieben zwar im Dunklen, aber es wurde deutlich, dass es um genetische Versuche ging und dass Operationen vorgenommen wurden, bei denen Organe transplantiert wurden. Die Räume waren fast alle leer geräumt gewesen, aber die Unterlagen führten eine große Menge Hightech-Ausrüstung auf, die dort gestanden haben musste. Die Papiere zeigten auch, dass man bis vor drei Jahren noch hier gearbeitet hatte. Dann waren die Arbeiten auf der Insel vermutlich eingestellt worden.
Sie fanden erneute Hinweise auf dasselbe Firmennetzwerk, das sie schon zuvor entdeckt hatten. Nun tauchte aber ein neuer Name auf: Lab M2 . Offenbar ein Codename für eine weitere Anlage, die, wie es schien, in Brasilien lag und sich zum Zeitpunkt der Aktivitäten auf der Insel noch im Bau befand. Es ging um Lieferungen nach Brasilien und Datenaustausch mit den dortigen Wissenschaftlern.
»Die Anlage auf der Insel war also eine temporäre Einrichtung«, sagte Juli. »Hier wurde nur geforscht, bis dieses Lab M2 in Brasilien fertiggestellt war, dann sind die Arbeiten dorthin verlagert worden.«
»Ja. Und zwar irgendwo in der Gegend um Manaus«, sagte Tom, »und etwa genau zu dem Zeitpunkt, wo im Camp Leichenteile angespült wurden …«
»Es muss einen Zusammenhang geben! Was genau forschen die da? Genetik, Transplantation … Erinnerst du dich, was in dem Bericht über den Fuß stand? Es war aus genetischer Sicht ein Hybrid. Halb Mensch, halb Tier … Es geht um Xenotransplantation. Und wie es aussieht, sind es keine bloßen Studien im Labor.«
»Nein. Sie nehmen Menschenversuche vor!«
Juli sah Tom an. »Wir müssen da hin«, sagte sie entschlossen.
Tom nickte. »Ja, das denke ich auch.«
»Wir müssen uns weiter informieren«, sagte Juli. »Wer genau steckt dahinter? Wer zieht die Fäden? Ist es dieser Dr. Villiers selbst? Was treibt ihn an, wie skrupellos ist er, wer sind seine Leute, wo genau ist das Labor, und wie kommen wir hin?«
Tom rieb sich die Schläfen. »Ja. Ja. Aber heute nicht mehr, wenn du erlaubst.« Er stand auf und drückte seinen Rücken durch. »Ich bin ziemlich am Ende. Und es ist halb drei. Wir sollten das auf morgen verschieben.«
Juli nickte und stand ebenfalls auf. Ihre Gedanken rasten, aber auch sie fühlte, dass ihr Körper sich nach Ruhe sehnte.
»Ich bleibe hier«, sagte sie.
»Du kannst das Schlafzimmer haben, wenn dich die Unordnung nicht stört«, bot Tom an. »Ich schlafe hier auf der Couch.«
»Schade«, gab Juli zurück.
»Wie bitte?«
Sie trat an Tom heran und schmunzelte. »Ich hatte auf eine lebende Wärmflasche gehofft.«
Tom stockte. Bisher hatte Juli ihm nicht den Eindruck vermittelt, dass sie an ihm interessiert sei, und abgesehen davon, dass er sie – optisch gesehen – durchaus attraktiv fand, waren es Situationen wie diese, die seiner Erfahrung nach eine weitere Zusammenarbeit erschwerten.
»Okay …«, setzte er zögerlich an.
»Oder
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