Hybrid
was für eine Ironie, dass man ausgerechnet in diesen hier nun auch von oben reinkommt … Los, suchen wir noch ein paar mehr Unterlagen.«
Gemeinsam machten sie sich daran, die Schachteln und Boxen zu öffnen, die sie fanden. Tom beschränkte sich darauf, dort nachzusehen, wo Papierstapel zu erkennen waren. Die Vorstellung, dass ihn im Licht seiner Lampe plötzlich der in Formalin schwimmende Kopf einer Leiche aus einem Karton entgegenstarrte, entsetzte ihn.
Sie luden alles, was nach selbst gefertigten Papieren, Rechnungen, Protokollen oder Akten aussah, in Toms Rucksack. Es war letztlich eine magere Ausbeute, keinesfalls das Archiv dieser Anlage, sondern vermutlich nur ein Rest, der eher zufällig zusammen mit den anderen Dingen schon früh in diesen Stauraum verfrachtet und dann vergessen worden war. Aber dennoch mochte es Aufschluss über die geheimnisvollen Vorgänge in diesen merkwürdigen Räumen geben.
Plötzlich hörte Tom wieder ein Rascheln und fuhr herum. Der Streuner hatte zu ihnen aufgeschlossen und wanderte schnuppernd über die auf dem Boden verstreuten Scherben und Papiere.
»Wenn du ihn nicht gefüttert hättest, würde er uns jetzt nicht ständig hinterherlaufen.«
»Ist doch nicht schlimm. Vielleicht können wir ihn auch mitnehmen und in einem Tierheim abgeben.«
»Kommt nicht infrage.«
»Wir werden ja sehen.«
»Was machst du denn da?«, fragte Tom gerade noch, als ihn mit einem Mal ein Blitzlicht blendete.
»Ich mache Fotos, was denn sonst.« Juli beugte sich nach unten und fixierte das Glas mit dem Kopf. Dann blitzte es erneut. »Wir müssen den Fund doch dokumentieren. Oder wolltest du den etwa mitnehmen?«
Das strahlend hell erleuchtete Bild des grausamen Schädels brannte sich in Toms Gedächtnis. Er hatte nicht vorgehabt, noch einmal hinzusehen, und nun hatte er ein weißes Abbild der glasigen Augen und der aufgeschwemmten Haut in seinem Kopf.
»Das reicht!«, rief er. »Los, lass uns zurück.«
Er wandte sich ab, während Juli hinter ihm ein weiteres Foto schoss, dann schloss sie zu ihm auf.
»Und jetzt?«, fragte sie. »Denselben Weg zurück?«
»Ja. Ich glaube nicht, dass wir hier noch mehr finden.«
Der Hund lief ihnen voraus. Sie verfolgten ihren Weg zurück durch die Gänge und erreichten schließlich den Operationssaal, als der Hund einige Meter vor ihnen erneut seine Rückenhaare aufstellte und leise knurrte.
»Mach das Licht aus!«, zischte Juli.
»Was?!«
»Los, schnell! Da ist jemand!«
Tom schaltete seine Lampe aus, und in der plötzlichen Dunkelheit fühlten sie sich einen Augenblick lang orientierungslos. Dann hörten sie die Geräusche. Es waren entfernte Schritte. Und ein unverständliches Gemurmel.
Auf einmal preschte der Hund davon. Sie hörten seine Krallen über den Boden kratzen, dann war er weg.
»Jemand läuft hier herum«, sagte Tom. »Wir müssen uns verstecken!«
»Los, in den Waschraum«, entschied Juli. »Da waren Wandschränke.«
»Ohne Licht?«
Juli griff nach Toms Hand. »Hier, fass mich an. Ich gehe voraus.«
Er spürte ihre zarte Hand warm in seiner. Sie zog ihn voran, und wäre es nicht eine so unbequeme Situation gewesen, hätte er den Moment genossen. So aber hoffte er nur, dass sie wusste, was sie tat, und dass er nicht im nächsten Augenblick mit dem Schädel gegen eine Wand oder einen Türrahmen stoßen würde.
Während er sich vortastete, hörte er die Schritte näher kommen. Und nun waren auch die Stimmen auszumachen. Tief, männlich, aber in einer fremden Sprache.
»Espera aí! Ouve lá!«
»O que foi?
»Cala-te!«
Dann war es einen Moment lang ruhig. Juli zog Tom hinter sich her, tastete herum, und schließlich hörte Tom, wie sich eine Schranktür öffnete.
»Hier«, flüsterte sie. »Das sind vermutlich Kleiderschränke für Kittel oder so was. Rein mit dir und mach mir etwas Platz.«
Tom drängte sich blind voran und schob beiseite, was er vorfand. Er quetschte sich in eine Ecke und fühlte, wie Juli ihm folgte und sich an ihn presste. Er nahm einen süßlichen Duft wahr, der von ihren Haaren aufstieg.
»Leise jetzt«, hauchte sie.
Die geschlossene Schranktür dämpfte alle Geräusche von draußen. Aber die Fremden mussten die Spuren ihres Einbruches und die offen stehenden Türen entdeckt haben und folgten sicherlich dem gleichen Weg. Sie würden auch durch diesen Raum kommen.
Nach einer Weile drangen tatsächlich Stimmen durch das dünne Holz der Tür. Tom machte zwei verschiedene Personen aus, die sich
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