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Hybrid

Titel: Hybrid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Wilhelm
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meiner Entdeckung gestern Nacht habe ich heute Susan aufgesucht und sie um ein Gespräch gebeten. Ich musste wissen, was es mit der Verbrennung und dem seltsamen Ritual auf sich hatte.
    Erst wirkte sie entsetzt, dass ich sie beobachtet hatte, aber dann wurde ihr natürlich klar, dass sie es nicht abstreiten und weiter vor mir verheimlichen konnte. Also hat sie mich beiseitegenommen und es mir bei einem Spaziergang erzählt.
    Der Mann, den ich gesehen hatte, ist ein alter Schamane. Nachdem ihn die Nachricht von unserem Fund erreicht hatte, war er ins Dorf gekommen und schließlich zu Susan. Seiner Überzeugung nach seien die Leiche und ihr Zustand ein Zeichen, dass der Chupacabra zurückgekehrt sei. Die Leiche müsse verbrannt und von den Flammen rituell gereinigt werden, damit er die Spur verliert. Denn der Chupacabra riecht den Tod und kehrt immer wieder dorthin zurück, wo er die Reste seiner Mahlzeiten zurückgelassen hat.
    Der Chupacabra ist wohl so eine Art mythologische Bestie, die üblicherweise das Vieh der Bauern reißt, aber manchmal auch Menschen angreift.
    Der Schamane ist ein hoch angesehener Mann bei den Indios im Dorf und auch bei denen, die bei uns im Camp arbeiten. Seine Meinung wird von allen respektiert und seine Furcht von allen geteilt. Um ihn und die anderen zu beruhigen, hatte Susan dem Ritual zugestimmt.
    Falls im Laufe der nächsten Tage die Polizei aus Manaus eintrifft, würde sie sagen, sie hätte die Leiche aufgrund von Gesundheitsbestimmungen und einer möglichen Ansteckungsgefahr verbrannt. Das würde sie auch den anderen im Camp so erklären, und es sei das einfachste, wenn ich es ebenfalls so halten und nichts von meiner nächtlichen Exkursion erwähnen würde.
    Ich habe sie gefragt, ob sie denn der Sache nicht nachgehen will, zumal es ja vielleicht auch ein Mord gewesen sein kann. Aber Susan wollte nichts davon wissen. Der Urwald sei zu groß, um Spuren zu finden, und außerdem, sagte sie, wäre man auf sich allein gestellt, denn keiner der Einheimischen würde mitkommen wollen, denn sie hätten viel zu viel Angst, den Chupacabra ins Dorf zu locken.
    Nun ist die Leiche also verbrannt, und der Fußboden des Lagerraums wird gerade mit Bleiche oder Chlor oder etwas Ähnlichem gereinigt. Ich vermute aber, dass der Gestank trotzdem noch lange haften bleiben wird.
    Ich werde das Gefühl nicht los, dass Susan mir immer noch nicht alles gesagt hat, was sie weiß. Sie wirkte zu eifrig, mir ihre Geschichte so einfach wie möglich zu erzählen und alles Weitere abzuwiegeln. Man sollte meinen, dass man eine so außergewöhnliche Sache nicht allzu oft erlebt und sie nicht mit einer solchen Selbstverständlichkeit abhandelt. Susan wirkte so gefasst, als handle es sich um eine seltene, aber durchaus bekannte Routine. Auch dass ausgerechnet Dr. Paulsen in der Nacht dabei war, einer, der schon genauso lange im Camp arbeitet wie sie, scheint mir merkwürdig.
    Am Nachmittag bin ich ins Dorf gegangen. Im Grunde geht das Dorf in unser Camp über, unsere Häuser stehen etwas außerhalb, was wohl einmal so angelegt worden war, um Kranke einerseits isolieren, sie aber andererseits in Sichtweite ihrer Angehörigen behalten zu können.
    Ich suchte Elvira, die geholfen hatte, den Leichnam nass und damit kühl zu halten. Entweder sie wusste zu dem Zeitpunkt noch nichts vom Chupacabra oder sie kümmerte sich nicht um das Gerede der anderen. Von ihr ließ sich vielleicht mehr erfahren. Sie arbeitet nur gelegentlich im Camp, und da sie heute nicht da war, hoffte ich, sie im Dorf zu treffen.
    Aber die Straße war leer. Die Kinder spielten nicht, sondern drückten sich in den Hauseingängen herum. Niemand war unterwegs, niemand beschäftigt. Nur die voluminöse Tia Velha saß vor ihrer Hütte auf ihrem Aluminiumstuhl, dessen Sitzfläche aus bunt geflochtenen Plastikschnüren sich weit durchwölbte. Tia Velha ist vermutlich die Dorfälteste, aber alle halten sie für beschränkt, und niemand kümmert sich um sie. Sie wird Alte Tante genannt, aber wir wissen nicht, mit wem sie tatsächlich verwandt ist, vielleicht mit allen, vielleicht mit niemandem. Bevor es das Camp und den Aluminiumstahl gab, hat sie sicher auch schon dort gesessen, auf einem Holzschemel vermutlich, und genauso beständig über den Unsinn der Welt nachgedacht und vor sich hin gelächelt.
    Die uralte Tia Velha schert sich nicht um das, was alle tun oder denken, und es wunderte mich nicht, dass sie da saß wie an jedem anderen Tag auch, obwohl ganz

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