Hybrid
das für Leute waren.«
»Ja, du hast recht.« Juli trat einen Schritt zurück. »Also dann weiter jetzt. Und am besten nicht mehr direkt am Ufer.«
Sie machten sich wieder auf den Weg, mal näher am Fluss entlang, mal tiefer durch den Wald. Tom ging voran, versuchte, mit der Machete die gröbsten Hindernisse zu entfernen, aber bald schon ging sein Arm nur noch halbherzig, er suchte stattdessen einfachere Wege. Pausen machten sie in immer kürzeren Abständen, bis sie sich eingestehen mussten, dass sie der Tag erheblich mehr angestrengt hatte, als sie es zunächst für möglich gehalten hatten.
Es dämmerte noch nicht, als Juli haltmachte.
»Lass uns hier das Lager aufschlagen«, sagte sie zu Tom, der sich verwundert umsah.
»Jetzt? An dieser Stelle?«
»Hier haben wir ein bisschen Platz, nur wenig Unterholz, und zwischen den Bäumen dort können wir unsere Hängematten aufspannen. Wir können sogar noch ein bisschen Holz sammeln, bevor es dunkel wird.«
Tom sah sich um. »Einverstanden. Dieser Platz ist vermutlich so gut wie jeder andere.« Er stellte seine Fototasche und die große Reisetasche ab. »Und viel weiter könnte ich ehrlich gesagt auch nicht.«
Sie schlugen ihr Lager auf, befestigten die Hängematten, und während Juli eine Konservendose erhitzte, suchte Tom Holz für ein kleines Lagerfeuer. Es stellte sich als schwierig heraus, denn was auf dem Boden lag, war feucht, unter Blättern und Pflanzen begraben und meist schon halb vermodert. Was auch immer im Regenwald abstarb, wurde schnellstmöglich wieder zum Teil des ewigen Kreislaufs. Als Tom schließlich mit einem Arm voll hauptsächlich dürrer Äste zurückkehrte, dämmerte es bereits, was hier in Äquatornähe innerhalb von einer halben Stunde zu völliger Dunkelheit führte.
Das Essen war wenig schmackhaft und leidlich nahrhaft, aber trotz des kräftezehrenden Marsches waren sie nicht sonderlich hungrig. Viel stärker war ihr Durst. Die Hitze hatte ihnen zugesetzt, und so tranken sie fast ihr gesamtes Wasser, bis sie schließlich ein wenig zur Ruhe kamen, nebeneinandersaßen und in die Flammen ihres kleinen Feuers sahen. Immer wieder zuckten dabei ihre Hände, verscheuchten Moskitos, die sich auf ihren Beinen niederließen und durch den Stoff der Hosen stachen.
»Lange wird es nicht brennen«, meinte Tom.
»Nein, aber wenn wir schlafen, brauchen wir kein Licht. Und der Geruch hält viele Tiere fern.«
Tom sah auf seine Uhr. »Acht Uhr. Und ich könnte umfallen.«
»Ich auch. Das hat man davon, wenn man aus der Stadt kommt. Wir sind entwöhnt. Dabei ist das hier doch so viel natürlicher, so viel lebendiger. Aber wir kommen damit nicht mehr zurecht.«
»In zehntausend Jahren haben wir nur noch kurze Stummelbeine, kaum noch Muskeln und riesige Köpfe.«
Juli lachte auf. »Und fette Ärsche vom ganzen Herumsitzen.«
Tom legte ein paar Zweige auf das Feuer. »Nun, ich schätze, uns beiden wird das so schnell nicht passieren. Wenn man überlegt, wie sehr wir in der letzten Zeit unterwegs sind.« Er sah Juli an und lächelte. »Ich habe bisher noch keine Frau kennengelernt, die so aktiv war wie du. Wie halten es deine Freunde mit dir aus?«
»Oh, nicht viel anders als du: Sie setzen sich erschöpft hin und fragen, wie die anderen es mit mir aushalten.« Dann lachte sie. »Nein, im Ernst, ich bin nicht immer so. Neugierig oder unternehmungslustig, ja, aber wenn du mich in den letzten Wochen kennengelernt hättest, wäre ich dir reichlich apathisch vorgekommen. Es ist der Gedanke, jetzt endlich etwas tun zu können, die Spur von Marie suchen und finden zu können, der mich antreibt.«
»Und Marie? Wie ist sie? Erzähl mir von ihr.«
»Stark«, sagte Juli. »Sie war immer die stärkere von uns. Nicht körperlich, meine ich, sondern willensstark. Und mutig. Wenn etwas schwierig oder riskant war, hat sie sich davon nie abschrecken lassen, hat die Dinge angepackt. Schon damals, wenn es Ärger in der Schule gab, ist sie hingegangen und hat die Leute zur Rede gestellt, auch wenn sie größer und älter waren als sie. Sie hat Zustände nie einfach hingenommen, sich nie etwas sagen lassen, sondern immer alles hinterfragt und für das gekämpft, was ihrer Meinung nach richtig war.«
»Das klingt nicht so viel anders als du selbst.«
»Ja, du kennst sie eben nicht. Sie an meiner Stelle hätte sich viel mehr Mühe gemacht, mich zu finden. Sie hätte niemals so viele Wochen gezögert, um selbst in Brasilien nachzusehen …« Julis Stimme wurde
Weitere Kostenlose Bücher