Hybrid
lachte leise auf. »Was für ein Glück, dass dein Selbstbewusstsein so gut ausgeprägt ist.«
»Es ist nur eine einigermaßen fundierte Beobachtung.«
Juli lächelte in sich hinein. Sie allein wusste, wie sehr er ihr wirklich gefiel, und sie wusste auch, dass er trotz seiner lockeren Sprüche niemand war, der in so einer Sache den ersten Schritt machen würde. Diese Mischung machte ihn interessant.
Der Weg blieb beschwerlich. Die Hitze des Urwalds war fast unerträglich. Die Luft war schwer und feucht, das Atmen mühevoll. Ein Schwarm von Mücken folgte ihnen unablässig, und beide waren sie ständig damit beschäftigt, sie aus dem Nacken und aus dem Gesicht zu streichen. Am frühen Nachmittag fanden sie einen sandig und flach abfallenden Zugang zum Fluss, wo sie im Schatten der Bäume Rast machten. Sie teilten sich eine Konservendose mit Chili con Carne und kochten Wasser aus dem Fluss ab, um ihre Wasserflasche zu füllen.
Tom holte das Gefäß hervor, das der Schamane ihnen mitgegeben hatte. Er öffnete es und roch daran.
»Das würde ich lieber nicht probieren«, sagte Juli.
»Warum nicht? Was glaubst du, was es ist?«
»Gesund ist es sicher nicht. Er sagte, es sei für den Tod. Vermutlich ist es vergiftet.«
Tom schloss die Flasche eilig und legte sie weg. »Warum um Himmels willen sollte er uns vergiftetes Wasser mitgeben?«
»Ich habe keine Ahnung«, sagte Juli. Sie ergriff die Flasche, roch ebenfalls daran, dann hängte sie sie sich an ihren Gürtel. »Wer weiß, wofür sie einmal gut ist. Vielleicht, damit wir uns notfalls selbst vergiften können, bevor wir von einem wilden Tier gefressen werden.«
»Na, sehr beruhigend.« Er verzog den Mund. »Was glaubst du, wie weit wir schon gekommen sind?«, fragte er dann, um das Thema zu wechseln.
»Nicht sonderlich weit. Fünf oder sechs Kilometer vielleicht. Sieh doch auf dem GPS -Gerät nach.«
Tom suchte das Gerät heraus. Als Ziel war immer noch die Lage des Camps hinterlegt. Zwar gab es hier keine Straßen, aber das Gerät konnte dennoch ihre augenblickliche Position erfassen und berechnete eine Luftlinie.
»Viereinhalb«, las Tom ab. »Etwas entmutigend, wenn ich ehrlich bin.«
»Viel schneller geht es nicht. Dazu bräuchten wir einen Führer, der bessere Wege durch den Wald findet. Aber hier am Wasser kommen wir ja zügiger vorwärts.«
»Immerhin so lange, bis der Weg … warte mal!« Tom hob eine Hand und neigte seinen Kopf. »Hörst du das? Auf dem Fluss!«
Juli hielt den Atem an und lauschte. Zwischen dem Schnarren und Zirben der Insekten und dem ständigen Vogelgezeter war ein brummendes Geräusch zu hören. Wie von einem Motor.
»Es kommt von dort«, sagte Tom und deutete flussabwärts. »Ein Boot! Lass uns verschwinden!«
»Wieso verschwinden? Was meinst du?«
»Nur ein paar Schritte in den Wald. Damit wir außer Sichtweite sind. Wir wissen nicht, wer das ist, und wenn wir entdeckt werden, möchte ich keine komischen Fragen beantworten müssen. Los, komm!«
Tom stand auf, ergriff seine Fotoausrüstung und die Reisetasche und verschwand zwischen den Bäumen. Dann kam er noch einmal heraus und half Juli, den Rest ihrer Ausrüstung aufzuraffen und mitzunehmen. Wenig später standen sie im Schutz der Blätter und Büsche. Tom holte seine Kamera aus der Tasche und setzte mit flinken Fingern das Teleobjektiv auf. Dann sah er durch den Sucher der Kamera auf den Fluss. Er musste nicht lange warten, bis das Boot erschien. Es war keiner der auf dem Amazonas üblichen mehrstöckigen Kähne und auch kein alter Nachen mit kleinem Außenborder. Was hier durch das Wasser pflügte, war ein modernes und sehr schnelles Motorboot. Es war grau gestrichen und machte einen paramilitärischen Eindruck. Tom riss die Blende auf, schoss einige Fotos und hoffte, dass sie trotz der Geschwindigkeit des Boots scharf würden. Er erkannte deutlich drei einheitlich gekleidete Männer, südländisch wirkend, und einen nordeuropäisch aussehenden Mann mit Kinnbart, vielleicht der Anführer des Trupps. Mit einem Zischen zog das Boot an ihnen vorbei und verschwand so schnell, wie es gekommen war. Wenig später schwappten die Wellen des Kielwassers an das Ufer.
»Jetzt können wir also sicher sein, dass es flussaufwärts etwas gibt«, meinte Juli.
»Nun ja, ein paar hundert Kilometer Fluss, da wird schon noch das ein oder andere Indiodorf zu finden sein.«
»Nur sahen die nicht wie Indios aus.«
»Nein, wohl nicht. Gut, dass wir uns versteckt haben, wer weiß, was
Weitere Kostenlose Bücher