Hybrid
hinabrieseln ließ.
Ein Arm ragte seitlich aus dem Haufen. Mit Dreck verkrustet und blutverschmiert. Ein menschlicher Arm. Und er endete in einer verkrümmten Hand, deren Finger in blutigen Hautfetzen und Spitzen von Knochen endeten.
Toms Magen rebellierte. Speichel lief in seinem Mund zusammen. Stöhnend ging er in die Hocke, stützte sich auf seine Oberschenkel. Dann erbrach er sich mit heftigem Würgen.
Mit wackeligen Beinen richtete er sich wieder auf. War dies ein Opfer, das die Kreatur in der Nacht verfolgt oder herbeigezerrt hatte? Der Chupacabra, der Menschen jagte und ausweidete?
Tom zögerte, näher an die Leiche heranzugehen. Eine abergläubische Furcht hatte ihn erfasst. Vor dem Tod und dem zerfetzten Fleisch. Vor einem Leichnam, der sich vielleicht noch einmal bewegte.
Er wandte sich ab und suchte die Sicherheit des Baums. Mit zitternden Händen ergriff er das Wurzelgeflecht und kletterte hinauf. Oben angekommen suchte er sich eine Position, in der er sitzen konnte, und lehnte sich an. Er atmete tief durch, roch sein Erbrochenes und musste ein neuerliches Würgen unterdrücken.
Als er sich gefangen hatte, weckte er Juli.
»Wir haben ein Problem«, sagte er. »Da unten liegt eine Leiche.«
»Ein totes Tier?«, fragte sie noch etwas benommen vom Schlaf.
»Nein, ein toter Mensch?«
Juli wurde schlagartig wach. »Was?!«
»Ich habe es mir nicht genau angesehen. Es ist … ziemlich ekelig.«
»Das ist doch völlig unmöglich, mitten im … Oder ist es etwa …« Sie dachte an ihre Schwester, aber sie wagte nicht, den Gedanken zu Ende zu führen. »Vielleicht ist es ein Indio?«
»Ich weiß es nicht.«
Juli richtete sich auf. »Wir müssen es uns ansehen!« Sie kletterte aus der Hängematte und begann mit dem Abstieg. Tom folgte ihr widerstrebend und in einigem Abstand.
»Wo denn genau?«, rief sie, als sie unten angekommen war. Dann stockte sie. »Oh.«
Tom schloss zu ihr auf und blieb neben ihr stehen.
»Ich wäre vorhin fast darüber gestolpert«, sagte er, bemerkte aber, dass sein Tonfall nicht so lässig klang, wie er gewünscht hätte.
Juli ging näher an das dunkle Bündel heran. Fliegen stoben auf. In einem Meter Abstand ging sie in die Hocke, legte ihren Kopf ein wenig schief und betrachtete die Leiche. Nach einer Weile griff sie neben sich, suchte etwas im Laub. Als sie nicht fündig wurde, stand sie auf, ging ein bisschen umher und kam schließlich mit einem kräftigen Stock zurück. Sie ging um die Leiche herum.
»Meine Güte, sieh dir das an«, stieß sie aus.
Tom zögerte. »Nun komm schon«, wiederholte sie.
Tom ging zu ihr hinüber und folgte ihrem Blick. Er spürte, wie sich sein Magen neuerlich zusammenkrampfte.
Der gekrümmt daliegende Tote war nackt und mit Schlamm und anderen Substanzen verschmiert. Die Hände waren bis auf die Fingerknochen abgewetzt und glichen blutigen Krallen. Überall aus der Haut ragten borstige Haare wie Flecken bizarrer Parasiten. Faustgroße Beulen und offene, eitrige Geschwüre bedeckten den Brustkörper, der Bauch war zum Platzen aufgebläht und mit einem Geflecht fingerdicker, dunkelblauer Adern überzogen. Am grausamsten aber war das Gesicht des Toten. Es war teigig zugeschwollen und so verformt, dass kaum menschliche Züge zu erkennen waren. Auch hier wucherten die schwarzen Borsten, die untere Lippe war aufgerissen, hatte sich nach unten gerollt und entblößte entzündetes Zahnfleisch, aus dem gelbe und verschmierte Zähne herausstachen.
Juli hob den Stock an.
»Halt«, rief Tom. »Was machst du da?!«
»Ich will ihn herumdrehen, sehen, ob er eine Verletzung hat. Woran er gestorben ist.«
»Machst du Witze?! Guck dir das doch an. Ein Wunder, dass er gestern noch die Kraft hatte, so herumzubrüllen.«
»Meinst du, die Schreie waren von ihm?«
»Ich wüsste nicht … he, lass das!«
Juli versuchte, die Spitze des Stockes unter die Leiche zu schieben.
»Der hat vielleicht irgendeinen Urwaldvirus oder so«, fuhr Tom fort. »Wir sollten lieber von ihm fernbleiben!«
»Ich kenne kein Virus, der so etwas verursacht«, sagte Juli und schüttelte den Kopf. »Sieh dir diese merkwürdigen Haare in seinem Gesicht an. Und wie verformt er ist. Als ob er mutiert wäre. Er hat seine Hände vollkommen abgewetzt, die Lippe hat er sich vielleicht selbst heruntergerissen. Und überall diese tiefen Kratzer an seinem Körper und in seinem Gesicht. Als hätte er aus seinem Körper fliehen oder ihn sich abreißen wollen.«
»Du glaubst, er hat sich
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