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Hymne der demokratischen Jugend (German Edition)

Hymne der demokratischen Jugend (German Edition)

Titel: Hymne der demokratischen Jugend (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serhij Zhadan
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außer Atem angerannt. – Ein Unglück, Georgi Dawydowytsch. – Was ist passiert? – fragte Goga verwirrt. – Der Kassierer! Der Arsch ist verschwunden! Mit der Tageskasse! – Wohin verschwunden? – Goga verstand nicht. – Gar nicht weit von hier! – Slawik schrie immer noch. – Ich weiß es. Schmeißt die Knete in Spielautomaten! Los, kommen Sie, den kriegen wir noch! Und Slawik rannte zum Ausgang. Goga folgte gegen seinen Willen. Sanytsch ließ von den geprügelten Wachleuten ab und ging ihnen nach. Draußen wartete schon der Bucklige. – Steigt ein, – rief er, – schnell! Außer Slawik, Goga und San Sanytsch zwängten sich noch zwei Mitarbeiterinnen des Pionierpalasts ins Auto, außerdem Petja Bokin und, was bemerkenswert ist, der verrußte und taub gewordene Grischa Oschwanz, der am lautesten schrie, als ob es sein Geld gewesen wäre. Der Bucklige brauste los, Slawik zeigte den Weg, wurde dabei aber von Grischa gestört, dessen Sakko immer noch glomm. Der Bucklige regte sich auf, doch er gab weiter Gas, so daß die Mitarbeiterinnen des Pionierpalastes in den Kurven kreischten, schließlich aber verlor der Bucklige die Kontrolle über das Fahrzeug, und das Taxi geriet auf die Gegenfahrbahn,rutschte von der Straße und raste in einen Zeitungskiosk. Die Zeitungen flatterten wie aufgescheuchte Hühner um sie herum. Vier Uhr früh, es war ganz still und ruhig. Auf der Straße fuhr ein Spritzauto. Langsam öffnete sich die Tür des demolierten Taxis, und die Passagiere kletterten heraus. Als erster Grischa Oschwanz, im Sakko mit nur einem Ärmel, er sah die Zeitungspacken, nahm einen und ging die Straße hinunter. Nach ihm kam, im Pharaonenkostüm, Petja Bokin mit schlangengleicher Gewandtheit herausgekrochen. Hinter Petja fiel San Sanytsch aus dem Auto und zog die zwei Mitarbeiterinnen des Pionierpalastes nach. Zwischen den Mitarbeiterinnen klemmte Slawik. Dann holten sie Goga. Goga hatte das Bewußtsein verloren, wahrscheinlich vor Kummer. Der Bucklige stieg selbst aus, er schien jetzt noch buckliger zu sein. Am meisten gelitten hatte im Prinzip Angela, eine der Mitarbeiterinnen des Pionierpalastes – unterwegs hatte Grischa Oschwanz ihr einen Zahn ausgeschlagen. San Sanytsch trat zur Seite und holte sein schon gestern ausgeschaltetes Telefon aus der Tasche. Versuchte, es einzuschalten. Schaute, wieviel Uhr es war. Vier Uhr fünfzehn. Prüfte die Mailbox auf neue Nachrichten. Es waren keine neuen Nachrichten drauf.
    Einen Monat später hatte Goga alles neu renoviert, seine Schulden bezahlt und in der »Butterbrot-Bar« eine Spielhalle eröffnet. Der Bucklige arbeitete jetzt bei ihm als Kassierer. Slawik und Raissa Solomonowna waren gemeinsam in den Fernen Osten gereist. Sanytsch stieg aus. Goga bat ihn zu bleiben, sagte, mit den Spielautomaten würden sie sich schnell sanieren, und flehte, ihn nicht ganz allein diesem Buckligen zu überlassen. Aber Sanytsch sagte, alles okay, erbrauche keine Prozente und wolle einfach gehen. Sie trennten sich als Freunde.
    Aber das ist noch nicht alles.
    Einmal, Anfang August, traf Sanytsch auf der Straße Vika. – Hi, – sagte er, – hast du ein neues Piercing? – Ja, wollte nicht, daß sich die Wunden schließen, – antwortete Vika. – Warum hast du nicht angerufen? – fragte Sanytsch. Vika antwortete nicht. – Ich fliege in die Türkei. Will meine Freundin überreden zurückzukommen. Fühle mich mies ohne sie, verstehst du? – Und was ist mit mir? – fragte Sanytsch, aber Vika strich ihm nur über die Wange und ging ohne ein weiteres Wort in Richtung U-Bahn.
    Ein paar Tage später hörte Sanytsch von Doktor und Busja. Lieber Sascha, sagten sie, wir laden dich zu uns ein aus Anlaß des Geburtstages unseres Doktors. Sanytsch nahm seine letzte Knete, kaufte im Geschäft »Geschenke« eine Plastik-Amphore und fuhr auf den Geburtstag. Doktor und Busja wohnten etwas außerhalb, in einem alten Privathaus, zusammen mit Doktors Mutter. Sie begrüßten ihn freudig, man setzte sich zu Tisch und trank trockenen Rotwein. – Wie steht’s mit der »Butterbrot-Bar«? – fragte Doktor. – Es gibt keine »Butterbrot-Bar« mehr, – antwortete Sanytsch, – abgebrannt. – Schade, – sagte Doktor, – war ein nettes Plätzchen. Und was willst du jetzt machen? – Ich gehe in die Politik, – sagte Sanytsch. – Bald sind Wahlen. – Da klingelte das Telefon, Doktor nahm den Hörer ab und stritt sich lange mit jemandem herum, danach entschuldigte er sich, knallte die Tür

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