Hype: Thriller (German Edition)
das?«
»Mein Bruder ist Offizier bei der I1«, murmelte Marcus. »Er hat mich letzten Sommer mit hier raufgenommen, als sie die Flagge eingeholt haben.«
»Ihr dachtet also, ich würde glauben, dass Henrik dort auf der Kante sitzt? Dass ich um sein Leben betteln und flehen würde, während ihr alles filmt – das habe ich kapiert. Aber wie wolltet ihr damit durchkommen?«
Die Jungs tauschten einen Blick aus, aber keiner von beiden antwortete. Rebecca dachte ein paar Sekunden nach.
»Ich verstehe …«, sagte sie dann. »In Handschellen abgeführt zu werden und damit im Fernsehen und in der Zeitung zu landen, das wäre ein perfekter Abschluss für euer kleines Projekt gewesen. Da ihr hier oben in Wirklichkeit gar keine Geisel hattet, wärt ihr sicherlich mit einer Geld- oder Bewährungsstrafe für irgendeine Bagatelle davongekommen. Ich hätte dagestanden wie der letzte Depp, während ihr berühmt geworden wärt. Na ja, noch ist es ja nicht zu spät!«
Sie zog die Jungen hoch, löste die Flaggenleine, und bevor die beiden begriffen, was sie vorhatte, fädelte sie das Seil durch die Handschellen auf ihren Rücken. Dann befestigte sie die Leine zusätzlich mit einem doppelten Knoten an der Stange und knuffte die beiden jungen Männer so fest über die Balustrade, dass sie vornüber hinabstürzten.
Ein zweistimmiges Todesgebrüll – danach straffte sich das Fahnenseil mit einem Ruck, sodass die Jungen fast aufrecht in der Luft hingen, die Knie noch immer auf der Balustrade.
Rebecca konnte die Blitze der Handykameras unten in der Menschenansammlung sehen.
»Lächeln und winken, meine Lieben«, rief sie. »Jetzt werdet ihr berühmt!«
Sie ging zu der Tasche, fischte die Kamera heraus, und nach ein paar Handgriffen hatte sie die Speicherkarte entnommen.
Als sie die Treppe hinunterging, begegnete sie dem Vermittler von der Krisenintervention. Hinter ihm rückte eine schwer bewaffnete Einsatztruppe in schwarzen Uniformen an.
»Alles im grünen Bereich«, erklärte sie und winkte mit ihrem Polizeiausweis.
Dann deutete sie auf das Telefon in der Hand des Vermittlers. »Aber Sie können Tobias Lundh von der Streife anrufen und ihn bitten, seinen Sohn abzuholen. Sagen Sie, ihm auch, dass er zwei trockene Hosen mitbringen soll …«
DREIUNDVIERZIG
All Your Bases Are Belong To Us
Genau in dem Augenblick, in dem man ihm die Haube abnahm, explodierte die Welt kreischend und knallend in tausend Farben. Er brauchte eine halbe Sekunde, bis ihm klar wurde, dass es Mitternacht war, und noch eine halbe, bis er verstand, wo er sich befand.
Siebzig Meter über der Innenstadt. Unter seinen baumelnden Füßen die salznassen Fahrbahnen und nur wenige Dezimeter Betonkante unter seinem Hintern, die verhinderten, dass er fiel.
Der Fuß auf seinem Rücken drückte zu, verringerte die Sitzfläche um die Hälfte und verwandelte seinen Magen in einen Panikknoten.
Er versuchte, sich nach hinten zu drücken, den Schwerpunkt vom Rand wegzuhalten. Aber der Fuß hielt gnadenlos dagegen und schob ihn weiter nach vorn.
»Gefällt dir die Aussicht, Loverboy?«, flüsterte Sophie ihm ins Ohr, während der Himmel von Stockholm um ihn herum explodierte.
»In meiner rechten Hosentasche, ein USB-Stick«, brüllte er in dem Versuch, das Feuerwerk zu übertönen. »Stoß mich nicht runter, Scheiße!«
Seine Pobacken glitten langsam über die Kante, weil Elroys Fuß ihn weiterschob.
Neunzehn Stockwerke tiefer hatte sich die Straße mit Menschen gefüllt, die das neue Jahr begrüßten.
»Und was hattest du damit vor, mein kleiner Henrik?« Erneut Sophie, ganz nah an seinem Ohr.
»In den Server stecken, einen Trojaner draufladen«, schniefte er. »Bitte, bitte, stoßt mich nicht runt…«
In dem Moment verlor sein Hinterteil den Kontakt zum Dach, und er rutschte über den Rand.
Aber als er gerade zu seinem Todesschrei ansetzte, fing Elroy ihn auf und zog ihn zurück auf das Dach. Sie ließen ihn liegen, während sie ihn abtasteten.
Der USB-Stick war das Erste, was sie an sich nahmen.
*
Sie hatte in fast allen Punkten recht gehabt.
MayBey und Tobias hingen zusammen.
Aber anstatt eines muskulösen Streifenpolizisten in dunkler Uniform entpuppte sich ihr Internet-Rachegott als zwei kleine, pickelige Achtzehnjährige, die zu viel fernsahen. Die Filmrepliken hatten sie auf die Spur gebracht.
Judge Dredd , Clintan , Taxi Driver. Das klang stark nach einer Jungenfantasie. Nachdem sie auf Jonathan Lundhs Namen gekommen war, musste sie nur noch
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