Hype: Thriller (German Edition)
Fahrerin, bei laufendem Motor hinter dem Lenkrad wartete. Sie hörte, wie die Türen des zweiten Wagens zufielen, und warf einen raschen Blick über die Schulter. Göransson und Malmén kamen auf sie zu. Keiner der Männer sagte etwas, aber trotz der Sonnenbrillen verriet ihr Gesichtsausdruck, was sie von der Lage hielten.
Die Menschenmenge wurde immer lauter und drängte noch heftiger gegen die Absperrung. Die mickrigen Stangen, die das Plastikband hielten, schwankten bedrohlich. Rebecca konnte hie und da englische Wortfetzen ausmachen.
Help us. No food, no doctor.
Der Soldat, der ihr am nächsten stand, fuhr sich nervös mit der Zunge über die Lippen, während er an der Sicherung seiner Waffe herumfingerte.
Klick-klick.
Gesichert – ungesichert.
Ungefährlich gefährlich.
Ein Schweißtropfen lief ihr Rückgrat hinunter.
Dann noch einer.
»Nun, worauf warten wir, Normén?«
Der hagere Botschaftsrat Gladh war offenbar auf der anderen Seite aus dem Wagen gestiegen, ohne auf eine Aufforderung zu warten, und näherte sich ihr von hinten.
»Die Presse wartet, es ist Eile angesagt. Wir sind schon spät dran.«
Er streckte sich nach dem Griff der hinteren Wagentür, um der Entwicklungshilfeministerin zu öffnen, aber Rebecca kam ihm zuvor.
»Rühren Sie die Tür nicht an!«, fauchte sie und schlug mit der rechten Handfläche auf das Seitenfenster.
Der Botschaftsrat hielt den Griff fest, und ein paar Sekunden standen sie da und starrten sich wütend an. Dann ließ Gladh den Griff los, richtete sich auf und fingerte beleidigt an seinem Krawattenknoten herum.
»Wie lange haben Sie denn noch vor, hier draußen in der Hitze zu stehen, Normén?«, klagte er etwas zu laut, damit auch die Ministerin ihn durch die getönte Scheibe hören konnte.
»Sehen Sie denn nicht, dass diese Menschen nur noch aufgebrachter werden, je länger wir herumtrödeln? Sie warten auf uns – auf die Ministerin, begreifen Sie das nicht?«
Natürlich verstand sie das, aber irgendetwas an der Situation hier stimmte nicht. Als sie gestern den Platz abgecheckt hatten, konnten sie die ganze Strecke direkt bis vor das Büro des Flüchtlingslagers fahren, wo das Treffen stattfinden sollte. Aber heute war der Weg plötzlich ein gutes Stück vor dem Ziel abgesperrt, obwohl dort drüben mehrere Autos standen.
Die Ministerin zweihundert Meter weit durch die Menschenmenge zu bringen, eskortiert von sechs nervösen Regierungssoldaten, schien keine gute Idee zu sein.
Und überhaupt, warum waren es nur so wenige?
Am Vortag hatte es hier vor Soldaten und gepanzerten Fahrzeugen nur so gewimmelt, sogar ein Hubschrauber schwebte in der Luft. Die Flüchtlinge hielten sich die meiste Zeit in ihren winzigen Plastikzelten versteckt und wagten sich kaum hervor.
Doch heute war die Lage völlig verändert.
»Come on, let’s go! All is good, all is good …«, rief der Offizier und bedeutete ihnen eifrig winkend, dass sie zu ihm kommen sollten, während zwei seiner Soldaten ungeschickt versuchten, die aufdringlichsten Personen vom Plastikband zu verscheuchen. Aber Rebecca zögerte noch immer. Die Rufe aus der Menschenmenge wurden lauter und lauter, dennoch glaubte sie, noch immer das metallische Geräusch der Gewehrsicherung des Soldaten zu hören.
Beinahe wie der Sekundenzeiger bei einem Countdown.
Klick …
Klick …
Klick …
Unwillkürlich legte sie ihre rechte Hand an den Pistolengriff in ihrem Gürtelholster.
»Wir müssen jetzt los«, beharrte Gladh, und sie bemerkte die aufkommende Angst in seiner Stimme.
Göransson und Malmén blickten sie über das Autodach hinweg an.
»Wie willst du vorgehen, Normén?«
Ihr Stellvertreter hatte recht, sie musste eine Entscheidung treffen.
Gefährlich?
Ungefährlich?
Entscheide dich, Normén!
Natürlich müsste sie die Tür öffnen und die Ministerin aus dem Wagen lassen.
Aber sie wurde das Gefühl nicht los, dass hier etwas nicht stimmte – und das bezog sich nicht nur auf die aufgebrachte Menschenmenge, den abgeschnittenen Zufahrtsweg oder diesen Botschaftsrat, der kurz davor war, sich in die Hose zu machen.
Der Gummigriff der Pistole klebte an ihrer Handfläche.
Klick …
Klick …
Und plötzlich sah sie ihn. Einen Mann, rechts von ihr im Menschenauflauf. Äußerlich ähnelte er den schreienden dunkelhäutigen Menschen rundherum. Langes weißes Hemd, dunkle Pluderhose und ein Stofftuch um den Kopf. Trotzdem hatte er etwas an sich, das ihn von den anderen abhob.
Zum einen war er ganz ruhig.
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