Hyperspace: eine Reise durch den Hyperraum und die zehnte Dimension ; [Einsteins Rache]
Hardy wurde Ramanujan so krank, daß er sich nicht mehr erholte. Der Erste Weltkrieg hatte Reisen zwischen England und Indien unmöglich gemacht, doch 1919 gelang es ihm endlich, nach Hause zurückzukehren, wo er ein Jahr später starb.
Modulfunktionen
Ramanujans Erbe ist sein Werk, das aus 4000 Formeln auf 400 Seiten besteht, die drei Notizbücher füllen. Alle sind sie dicht mit Lehrsätzen von unglaublicher Aussagekraft gefüllt, denen aber kein Kommentar und, was noch ärgerlicher ist, kein Beweis beigefügt ist. 1976 wurde noch eine neue Entdeckung bekannt. Durch Zufall stieß man im Trinity College auf eine Schachtel mit einhundertdreißig Seiten Kladde, die Arbeit seines letzten Lebensjahrs. Heute heißen diese Seiten Ramanujans »verschollenes Notizbuch«. Dazu meint der Mathematiker Richard Askey: »Die Arbeit dieses einen Jahres, in dem er im Sterben lag, hätte gut das Lebenswerk eines sehr großen Mathematikers sein können. Er hat einfach Unvorstellbares geleistet. Wäre es ein Roman, niemand würde ihn glauben.« Um zu unterstreichen, wie schwierig ihre Aufgabe – die Entzifferung der »Notizbücher« – ist, haben die Mathematiker Jonathan und Peter Borwein erklärt: »Eine mathematische Redaktionsarbeit dieses Umfangs und Schwierigkeitsgrads ist unseres Wissens noch nie unternommen worden.« 20
Wenn man die Entfaltung von Ramanujans Gleichungen betrachtet, hat man den Eindruck, man hätte sich jahrelang im Hören westlicher Musik, etwa der Beethovenschen Symphonien, geübt und werde nun plötzlich mit einer Musik ganz anderer Art konfrontiert, fremdartig schönen östlichen Weisen, in denen sich nie gehörte Harmonien und Rhythmen mischen. Dazu noch einmal Jonathan Borwein: »Sein Denken scheint sich nach Regeln vollzogen zu haben, die wir von niemandem sonst kennen. Er hatte ein solches Empfinden für die Dinge, daß sie einfach aus seinem Kopf herausgeflossen sind. Vielleicht hat er sie in einer Weise gesehen, die sich nicht übersetzen läßt. Es ist, als beobachte man jemand auf einem Fest, zu dem man nicht eingeladen worden ist.«
Wie Physiker wissen, geschehen »Zufälle« nicht ohne Grund. Wenn sie eine lange und schwierige Rechnung durchführen und wenn sich dann plötzlich Tausende unerwünschter Terme wie durch Zauberhand aufheben, so wissen Physiker, daß so etwas nicht ohne einen tieferen Grund geschieht. Heute ist bekannt, daß solche »Zufälle« vom Wirken einer Symmetrie künden. Bei Strings handelt es sich um die konforme Symmetrie, die Symmetrie, die zugrunde liegt, wenn die Weltfläche des Strings gestreckt und verformt wird.
Das ist genau der Punkt, an dem Ramanujans Arbeit ins Spiel kommt. Um die ursprüngliche konforme Symmetrie vor einer Zerstörung durch die Quantentheorie zu bewahren, muß eine Anzahl von mathematischen Identitäten auf wundersame Weise befriedigt werden. Und das sind genau die Identitäten der Ramanujanschen Modulfunktion.
Wie mehrfach gesagt, lautet die Grundprämisse dieses Buches, daß die Naturgesetze einfacher werden, wenn man sie in höheren Dimensionen ausdrückt. Doch im Licht der Quantentheorie müssen wir diese These nun erweitern. Richtig sollte es heißen: Die Naturgesetze werden einfacher, wenn man sie konsistent in höheren Dimensionen ausdrückt. Die Ergänzung des Wortes »konsistent« ist von entscheidender Bedeutung. Diese Einschränkung zwingt uns, auf Ramanujans Modulfunktionen zurückzugreifen, die die Dimensionen der Raumzeit auf zehn festlegen. Das wiederum könnte uns den entscheidenden Hinweis liefern, den wir brauchen, um den Ursprung des Universums zu erklären.
Einstein hat sich oft gefragt, ob Gott irgendeine Wahl hatte, als er das Universum schuf. Wenn, wie die Superstringtheorie voraussetzt, eine Vereinigung von Quantentheorie und allgemeiner Relativitätstheorie die Voraussetzung des Schöpfungsaktes gewesen ist, dann hatte Gott keine Wahl. Die Konsistenzbedingung allein, so behaupten die Anhänger der Theorie, hätte Gott gezwungen, das Universum so zu erschaffen, wie er es tat.
Obwohl der mathematische Komplexitätsgrad der Superstringtheorie schwindelnde Höhen erreicht hat und selbst Mathematiker beeindruckt, machen Kritiker der Theorie genau diesen Umstand zum Vorwurf. Jede Theorie, sagen sie, müsse überprüfbar sein. Da jedoch keine Theorie, die bei der Planckschen Energie von 10 Elektronenvolt definiert sei, überprüfbar sei, sei die Superstringtheorie in Wahrheit gar keine
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