Hyperspace: eine Reise durch den Hyperraum und die zehnte Dimension ; [Einsteins Rache]
Gravitationskräfte im Zentrum eines Schwarzen Loches so gewaltig wären, daß sie jedes Raumschiff zerreißen würden. Danach wären Wurmlöcher mathematisch zwar möglich, aber in der Praxis nutzlos.
Zweitens könnten Wurmlöcher instabil sein. Wie sich zeigen ließ, würden schon kleine Störungen in Wurmlöchern die Einstein-Rosen-Brücke zum Einsturz bringen. Mithin würde die Anwesenheit eines Raumschiffes in einem Schwarzen Loch genügen, um eine Störung hervorzurufen, die den Eingang des Wurmlochs zum Einsturz brächte.
Drittens müßte man sich mit Überlichtgeschwindigkeit fortbewegen, um das Wurmloch tatsächlich zu durchqueren und auf der anderen Seite herauszukommen.
Viertens wären die Quanteneffekte so groß, daß sich das Wurmloch auch von allein schließen könnte. Beispielsweise würde die intensive Strahlung, die vom Eingang des Schwarzen Lochs emittiert würde, nicht nur jeden töten, der versuchte, in das Schwarze Loch zu gelangen, sondern könnte auch den Eingang schließen.
Fünftens verlangsamt sich die Zeit in einem Wurmloch und kommt in seinem Zentrum vollständig zum Stillstand. Folglich hätten Wurmlöcher die wenig angenehme Eigenschaft, daß sie die Bewegung eines Raumreisenden, von der Erde aus gesehen, scheinbar verlangsamen würden und im Mittelpunkt des Schwarzen Loches völlig zum Stillstand brächten. Es hätte den Anschein, als wäre der Raumreisende in der Zeit vollkommen erstarrt. Mit anderen Worten, ein Raumreisender brauchte unendliche Zeit, um ein Wurmloch zu durchqueren. Nehmen wir an, jemand könnte trotzdem durch den Mittelpunkt des Wurmlochs gelangen und zur Erde zurückkehren – dann wäre die Zeitverzerrung so groß, daß Millionen oder sogar Milliarden Jahre auf der Erde vergangen wären.
Aus allen diesen Gründen hat man Wurmloch-Lösungen nie ernst genommen. Nun ist Thorne ein ernsthafter Kosmologe, der die Frage von Zeitmaschinen unter normalen Umständen sicherlich außerordentlich skeptisch oder gar ironisch behandelt hätte. Doch Thorne begann, sich mit dieser Frage aus einem höchst ungewöhnlichen Grund zu befassen. Im Sommer 1985 schickte Carl Sagan Thorne die Fahnen seines neuen Buches, des Romans Contact, der sich ernsthaft mit den wissenschaftlichen und politischen Fragen eines epochemachenden Ereignisses auseinandersetzt: dem ersten Kontakt mit außerirdischem Leben im All. Jeder Wissenschaftler, der über die Frage nachdenkt, ob es Leben im All gibt, muß sich auch mit der Frage befassen, wie man die Barriere der Lichtgeschwindigkeit überwinden kann. Da nach Einsteins spezieller Relativitätstheorie Bewegungen mit Überlichtgeschwindigkeit ausdrücklich verboten sind, würde die Reise zu fernen Sternen in konventionellen Raumschiffen Jahrtausende dauern, also interstellarer Verkehr praktisch unmöglich sein. Nun wollte Sagan, daß die wissenschaftlichen Aspekte seines Buches so genau wie möglich waren, deshalb fragte er Thorne in einem Brief, ob es irgendeine wissenschaftlich akzeptable Möglichkeit gäbe, die Lichtbarriere zu überwinden.
Mit seiner Anfrage reizte Sagan Thornes intellektuelle Neugier. Hier lag eine klare, physikalisch vernünftige Anfrage vor, die ein Wissenschaftler dem anderen unterbreitete und die eine ernsthafte Antwort verlangte. Da die Anfrage jedoch von höchst unorthodoxer Natur war, gingen Thome und seine Kollegen sie auch auf höchst ungewöhnliche Weise an: Sie arbeiteten rückwärts. Im Normalfall beginnen Physiker mit einem bestimmten, bekannten astronomischen Objekt (einem Neutronenstern, einem Schwarzen Loch, dem Urknall) und lösen dann Einsteins Gleichungen, um die Krümmung des umgebenden Raumes festzustellen. Wie wir uns erinnern, besagen die Einstein-Gleichungen im wesentlichen, daß der Materieund Energiegehalt eines Objektes das Ausmaß der Krümmung in der umgebenden Raumzeit bestimmt. Auf diese Weise haben wir die Garantie, auf Lösungen der Einstein-Gleichungen für astronomisch relevante Objekt zu stoßen, von denen wir annehmen, daß sie sich im All befinden.
Doch da Sagans Anfrage recht ungewöhnlich war, rollten Thome und seine Kollegen die Frage von hinten auf. Sie begannen mit einer ungefähren Vorstellung von dem, was sie finden wollten. Ihnen ging es um eine Lösung der Einstein-Gleichungen, bei der ein Raumreisender nicht von der Kraftentfaltung des starken Gravitationsfeldes zerrissen wurde. Ein Wurmloch wollten sie, das stabil war und sich nicht plötzlich
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