Hyperspace: eine Reise durch den Hyperraum und die zehnte Dimension ; [Einsteins Rache]
sondern nur, daß sie außerhalb des Bereiches liegen, den wir gemeinhin als Wissenschaft bezeichnen.
Der Biologe Edward O. Wilson von der Harvard University hat eingehend über diese Frage nachgedacht und sich überlegt, ob es einen wissenschaftlichen Grund dafür gibt, daß Menschen so hartnäckig an ihrer Religion festhalten. Selbst gelernte Naturwissenschaftler, so stellte er fest, die gewöhnlich vollkommen rational über ihr wissenschaftliches Fachgebiet reden, greifen zu irrationalen Argumenten, um ihre Religion zu verteidigen. Außerdem hat man laut Wilson die Religion in der Vergangenheit als Vorwand benutzt, um schreckliche Kriege zu führen und unvorstellbare Greueltaten gegen Ungläubige und Heiden zu begehen. Die Grausamkeit der religiösen oder heiligen Kriege kann sich mit den schlimmsten Verbrechen messen, die der Mensch je am Menschen verübt hat.
Nach Wilson findet man die Religion in jeder menschlichen Kultur, die jemals untersucht worden ist. Wie die Anthropologen festgestellt haben, besitzen alle primitiven Völker einen »Ursprungsmythos«, der erklärt, woher sie kommen. Ferner ziehen diese Mythologien einen scharfen Trennungsstrich zwischen »uns« und »sie«, sorgen für einen (häufig irrationalen) Zusammenhalt des Stammes und unterdrücken alle Kritik am Führer, da sie die Gruppe entzweien könnte.
Das ist keine Ausnahme, sondern die Norm in menschlichen Gesellschaften. Die Religion, meint Wilson, ist deshalb so beherrschend, weil sie einen eindeutigen evolutionären Vorteil für die frühmenschlichen Gruppen bedeutete, die sie sich zueigen machten. Wilson verweist darauf, daß Tiere, die in Rudeln jagen, dem Leittier gehorchen, weil sie eine Hackordnung hergestellt haben, die auf Stärke und Dominanz beruht. Doch vor etwa einer Million Jahren, als unsere affenähnlichen Vorfahren allmählich etwas intelligenter wurden, begannen einzelne Exemplare, die Macht ihrer Führer verstandesmäßig in Frage zu stellen. Es liegt in der Natur der Intelligenz, daß sie Autorität mit Vernunftsgründen in Zweifel zieht, deshalb konnte sie für den Stamm zu einer gefährlichen, destruktiven Kraft werden. Wenn es keine Kraft gab, die diesem um sich greifenden Chaos entgegenwirkte, hätten die intelligenten Individuen den Stamm verlassen, die Gruppe hätte sich aufgelöst, und schließlich wären alle Individuen dem Tode preisgegeben gewesen. Deshalb standen nach Wilson die intelligenten Affen unter einem Selektionsdruck, der die Vernunft außer Kraft setzte und sie veranlaßte, dem Führer und seinen Mythen blind zu gehorchen, denn sonst wäre der Zusammenhalt des Stammes gefährdet gewesen. Zwar begünstigte die Evolution den intelligenten Affen, der logisch über Werkzeuge und Nahrungsbeschaffung nachdenken konnte, sie begünstigte aber auch den Affen, der seinen Verstand zum Schweigen bringen konnte, wenn dieser die Geschlossenheit des Stammes bedrohte. Man brauchte eine Mythologie, um den Stamm zu definieren und zu erhalten.
Laut Wilson war die Religion eine sehr wirksame, lebensrettende Kraft für die Affen, die allmählich intelligenter wurden. Sie bildete gewissermaßen einen »Klebstoff«, der sie zusammenhielt. Wenn diese Theorie stimmt, würde sie erklären, warum so viele Religionen den »Glauben« der Vernunft vorziehen und warum die Gläubigen aufgefordert werden, nicht auf ihren Verstand zu hören. Sie könnte auch erklären, warum religiöse Kriege so grausame Erscheinungsformen annehmen und warum der Gott der Wunder stets den Sieger in einem blutigen Krieg zu begünstigen scheint. Der Gott der Wunder hat einen entscheidenden Vorteil gegenüber dem Gott der Ordnung: Er erklärt mit seiner Mythologie den Zweck unserer Existenz im Universum; dazu erfahren wir nichts vom Gott der Ordnung.
Unsere Rolle in der Natur
Obwohl der Gott der Ordnung uns Menschen keine Bestimmung und keinen Zweck zuteil werden läßt, finde ich persönlich am erstaunlichsten an dieser Diskussion, daß wir, die wir gerade erst unseren Aufstieg auf der technischen Entwicklungsleiter beginnen, in der Lage sein sollen, derart kühne Behauptungen über unseren Ursprung und das Schicksal des Universums aufzustellen.
Technisch fangen wir eben an, die Anziehungskraft der Erde zu überwinden; die ersten primitiven Sonden haben wir zu den äußeren Planeten gesandt. Doch obwohl wir auf unseren kleinen Planeten begrenzt sind und nur unseren Verstand und ein paar Instrumente zur Verfügung
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