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Iacobus

Iacobus

Titel: Iacobus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matilde Asensi
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im Raum herrschenden Kälte zu schwitzen, aber für mich wäre es noch weitaus gefährlicher und sündhafter geworden, denn ich hätte sicherlich mindestens genauso wenn nicht gar noch mehr geschwitzt als mein Sohn und dabei auch noch das wichtigste meiner Gelübde gebrochen. Allerdings packte ich ihr hinterher die Füße in warme Tücher, um die Behandlung zu vollenden, nicht ohne vorher voll sündhafter Gedanken zu bemerken, daß ihre Zehen wie auch ihre Finger unglaublich gelenkig waren, und es beunruhigte mich aufs äußerste, festzustellen, daß auch sie voller Sommersprossen waren. Als ich die Augen hob, blickte mich Sara auf so sonderbare Art und Weise an, daß sie mich in verbotene Gefilde stürzte, aus denen ich nur mit größter Willensanstrengung zurückkehrte, indem ich den Blick abwandte.
    Der seltsame Name der Berge war mir nicht entgangen. Montes de Oca, die ›Gänseberge‹. Es sprach für sich, daß die Eingangspforte zu Kastilien so vielsagend auf das Zeichen der Gans hinwies, die sich nicht nur im Bergkamm Montes de Oca wiederfand, sondern auch im Río Oca, dem Bildnis der Virgen de la Oca in der dortigen Einsiedlerklause und im Namen des Ortes selbst, der vor dem durch die Pilger eingeführten Villafranca, der ›Stadt der Franken‹, ebenfalls unter dem Namen der Gans bekannt war. Während ich, erstarrt vor Kälte und mit einem fast leeren Magen, einzuschlafen versuchte, rätselte ich unaufhörlich, welche Beziehung wohl zwischen dem heiligen Tier, dem Initiationsspiel, das uns der alte Niemand gezeigt hatte, dieser Pforte zu Kastilien und dem Symbol des Gänsefußes der Bruderschaften der Steinmetze, initiierten Baumeister und Brückenbauer bestand.
    Der folgende Tag begann bewölkt, doch wie die Sonne stieg, brach das Licht gleißend durch die sich auflösenden Wolken. Nach einem Frühstück aus einigen in Wasser eingeweichten Stücken trockenen Brots und etwas wohlschmeckendem Schafskäse, das uns ein Hirte angeboten hatte, verwendeten wir einige Zeit darauf, die Riemen unserer Sandalen zu säubern und einzufetten, während Sara die Zeit nutzte, um im Fluß unsere Hemden, Leibröcke, Umhänge und Strümpfe zu waschen, die seit Wochen nach einer gründlichen Reinigung verlangten. Aus Holz fertigte ich daraufhin ein Gestänge in Form eines Kreuzes mit mehreren Querstäben an, das ich auf Jonas' Rücken befestigte, und daran hängten wir die Wäschestücke auf, damit sie mit der Sonne und im Luftzug trockneten, während wir unsere Wallfahrt fortsetzten.
    Dann machten wir uns von der Ortsmitte aus an den steilen Aufstieg. Bald bedeckte den Weg ein Teppich aus gelblichen und ockerfarbenen Eichenblättern, die unter unseren Füßen raschelten. Obwohl dieses Stück des Jakobsweges nicht sehr lang war, kam es uns endlos vor, und beinahe hätten wir uns zu allem Überfluß auch noch in einem dichten Pinien- und Tannenwäldchen verlaufen, in dem ich Wölfe und Wegelagerer vermutete. Indessen brachte uns der Hahn von Santo Domingo Glück, und wir ließen es unversehrt, wenn auch erschöpft hinter uns. Schließlich gelangten wir gegen Mittag auf die Hochebene von Pedreja und stiegen gleich darauf wieder über den Bach Peroja zu Tal. Als die Sonne am höchsten stand, erreichten wir das Hospiz in Valdefuentes, ein wahrhaftes Paradies für den Wanderer, der sich dort an einer Quelle mit frischem, reinem Wasser erholen konnte.
    Eine Gruppe burgundischer Pilger aus Autun heiterte gerade die Umgebung des Hospizes mit ihren Scherzen und Späßen auf. Sie fragten wir, welcher der beiden Wege, die sich dort gabelten, um sich später in Burgos wieder zu vereinen, denn günstiger wäre.
    »Wir werden morgen den Weg über San Juan de Ortega nehmen«, erklärte uns ein Junge namens Guillaume, »denn das ist die Strecke, die unser Landsmann Aimeric Picaud empfiehlt.«
    »Auch wir sind bisher seinen Ratschlägen gefolgt.«
    »Er ist weltberühmt«, bemerkte Guillaume stolz, »bedenkt man die vielen Pilger, die sich jedes Jahr auf den Weg nach Santiago machen. Wenn Ihr gleich aufbrecht, erreicht Ihr San Juan de Ortega noch bei Tageslicht. Das Hospiz des Klosters ist für seine ausgezeichnete Gastfreundschaft wohlbekannt.«
    Der junge Burgunder hatte vollkommen recht. Über einen verschlungenen Pfad durch den Wald kamen wir zur Apsis der Klosterkirche, die wir umrundeten, um dann zu ihrer Rechten auf das Hospiz zu stoßen, wo wir von einem für die Betreuung der Pilger zuständigen Mönch herzlich und freundlich

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